Geschwärzte Epstein-Akten: Was verheimlicht die US-Regierung?
Die Jeffrey-Epstein-Akten sind da – jedenfalls eine erste Tranche. Was das US-Justizministerium am Freitagabend veröffentlicht hat, wird die nationale Debatte um den einst eng mit Präsident Donald Trump befreundet gewesenen Serien-Sexualstraftäter nicht befrieden. Im Gegenteil. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Woran entzündet sich die Kritik?
Das veröffentlichte Material ist zum Teil öffentlich längst bekannt, oft redundant und irrelevant und bietet an so gut wie keiner Stelle Kontext (Ort, Zeit und beteiligte Personen). Fotos zeigen Bilder von berühmten Persönlichkeiten, von Epsteins Villen, von seinem Sexspielzeug, von nackten oder fast nackten jungen Frauen – einige davon eindeutig junge Mädchen – in sexuellen Posen. Dazu Material über die Innenräume von Epsteins Wohnhäusern, seine Waschküche, seine Möbel, sogar seine Besen. "Das Ziel ist offenbar, das Publikum mit Nebensächlichkeiten zu fluten, damit es die Neugier verliert", sagte ein Analyst im US-Fernsehen.
Wie reagieren die Epstein-Opfer?
Mit Empörung und Ernüchterung. Sie hatten sich eine schonungslose Aufarbeitung des Versagens der Strafverfolgungsbehörden gewünscht, die Epstein bis zu seinem Tod 2019 "davonkommen ließen”, wie Sky Roberts, der Bruder des Promi-Opfers Virginia Giuffre, sagt. Sie hatten sich erhofft, dass endlich klarer wird, gegen wen die Staatsanwaltschaften seit den 2000er Jahren neben Epstein ermittelt haben, gegen wen Anklage erhoben wurde - und gegen wen nicht (und warum). Dazu hatten etliche der rund 25 Frauen, die sich bisher öffentlich als "Epstein-Überlebende" geoutet haben, intern sehr detaillierte Angaben zu den Namen der mutmaßlichen Mitverschwörer und Beteiligten gemacht. Sie wollten sehen, was bei den Durchsuchungen von Epsteins Häusern in New York und in der Karibik sichergestellt wurde, und wissen, warum die Staatsanwältin Maurene Comey, die federführend für die Untersuchungen gegen Epstein und seine Komplizin Ghislaine Maxwell war, im Sommer abrupt entlassen wurde. Nichts davon wird in den bisher publizierten Dokumenten angesprochen. "Diese gestaffelte Veröffentlichung bleibt weit hinter der Transparenz zurück, die mit der Verabschiedung des Epstein Files Transparency Act beabsichtigt war", erklärte die von Epstein missbrauchte Liz Stein.
Warum ist der Unmut über die Veröffentlichung so groß?
Das Justizministerium hat den Kern-Auftrag des vom Kongress beschlossenen und von Trump unterzeichneten Gesetzes zur Freigabe nicht erfüllt. Es war verpflichtet, bis Freitag alle "nicht klassifizierten" Dokumente im Zusammenhang mit Epstein und Ghislaine Maxwell, die wegen Beihilfe und Beteiligung an seinem Sexhandelsring zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, zu veröffentlichen. Stattdessen wurde nur ein Bruchteil des gesamten Materials freigegeben, das laut Regierung über 300 Gigabyte umfasst.
Die für die Freigabe federführend gewesenen Kongress-Abgeordneten von Demokraten und Republikanern sagen, dass nur zehn Prozent veröffentlicht wurden und vermuten eine bewusste Verzögerungstaktik. Sie drohen mit rechtlichen Schritten bis hin zum Antrag auf Amtsenthebung von Justizministerin Pam Bondi und ihrem Stellvertreter Todd Blanche. Stellvertretend für die Kritiker sagt der Republikaner Thomas Massie, dass die scheibchenweise Offenlegung "in grober Weise gegen den Geist und den Wortlaut des Gesetzes verstößt, das Donald Trump vor nur 30 Tagen unterzeichnet hat". In einem Fall - es geht um die Aussagen einer Geschworenen–Jury zu Epstein - sind sämtliche 119 Seiten konstant unkenntlich gemacht worden, ohne jede Begründung.
Wohinter versteckt sich die Regierung?
Opferschutz. Frauen, die von Epstein missbraucht wurden, dürften per se nicht identifizierbar gemacht werden in den Akten, sagt der stellvertretende Generalstaatsanwalt Todd Blanche. Auch Mit-Täter und Helfershelfer blieben anonym. Ebenso prominente Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. In einem Brief an den Kongress erklärte Blanche, dass Schwärzungen auch aufgrund "verschiedener Privilegien" vorgenommen würden, darunter das Anwaltsgeheimnis. Dagegen steht das Freigabe-Gesetz. Dort heißt es, dass Schwärzungen aus Gründen der "Verlegenheit, Rufschädigung oder politischen Sensibilität" verboten sind, selbst wenn es sich um "Regierungsbeamte oder Personen des öffentlichen Lebens" handelt.
Warum kommt Bill Clinton häufig vor, Trump aber kaum?
Der amtierende Präsident hatte das Justizministerium vor einigen Wochen explizit angewiesen, die Epstein-Akten nach Spuren des ehemaligen demokratischen Präsidenten zu durchsuchen; ein "Ablenkungsmanöver", so die demokratische Führung im Kongress. Ministerin Pam Bondi lieferte jedoch fristgerecht. Neben belanglosen Fotos, die Clinton kontextlos mit Stars wie Kevin Spacey, Michael Jackson und Mick Jagger zeigen, kamen auch Fotos von Clinton in einem Whirlpool, beim Schwimmen und mit einer jungen Frau ans Licht, die auf seinem Schoß sitzt. Um die Botschaft zu verstärken, wies Trumps Sprecherin Leavitt mit doppeldeutigen Äußerungen ("Oh mein Gott") in sozialen Medien auf die Fotos hin. Dabei hatte Trumps Stabschefin Susie Wiles Clinton zuletzt öffentlich entlastet, in den Epstein-Sumpf verwickelt zu sein.
Der ehemalige Präsident sieht sich als Sündenbock von Trump missbraucht. Clinton hat jegliches Fehlverhalten seit langem bestritten. Er gehöre zu denjenigen, die "nichts wussten und mit Epstein den Kontakt abbrachen, bevor seine Verbrechen ans Licht kamen", sagte sein Sprecher. Der amtierende Präsident Trump kommt in den bisher frei gewordenen Unterlagen dagegen so gut wie nicht vor, erst recht nicht in einem potenziell inkriminierenden Zusammenhang.
Gibt es keine Neuigkeiten von Substanz?
Doch. Die Akten enthalten eine Beschwerde der ehemaligen Epstein-Mitarbeiterin Maria Farmer. Sie hatte sich 1996 wegen sexuellem Kindesmissbrauch an die Behörden gewandt - lange bevor Epstein in Florida erstmals in die Fänge der Justiz geriet. Farmer behauptet, dass Epstein damals Nackt–Fotos von ihren Schwestern (12 und 16 Jahre alt) gestohlen und verkauft habe. Dabei habe er gedroht, ihr Haus niederzubrennen, falls sie darüber reden würde. Die Bundespolizei FBI ignorierte Farmer. Ihre Beschwerde wurde bis zuletzt geheim gehalten, Opfer-Anwälte sind entsetzt. Hunderte von jungen Frauen hätten vor Missbrauch bewahrt werden können, sagen sie, wenn das FBI Maria Farmer rechtzeitig ernst genommen hätte.
Kommentare