Schiff gekapert: "Piraten" oder Flüchtlinge aus der "Hölle"?

108 Flüchtlinge kaperten einen Frachter, damit der sie nicht nach Libyen zurückbringt. Für Italiens Innenminister sind sie "Piraten".

Für die 108 Menschen an Bord des Handelsschiffes  „El Hibru 1“, darunter 19 Frauen und 12 Kinder, ist am Donnerstag auf Malta eine mehrtägige Odyssee zu Ende gegangen. Nun wird darüber diskutiert, ob es sich bei ihnen um Hilfebedürftige oder Piraten handle.

Der Frachter hatte die Menschen vor Libyen vor dem Ertrinken gerettet und wollte sie in das Bürgerkriegsland zurückbringen, wo ihnen Folter droht. Sechs Seemeilen vor Tripolis übernahmen einige der geretteten Männer das Kommando und dirigierten das Schiff Richtung Italien und Malta. Der Kapitän setzte einen Notruf ab.

Schiff gekapert: "Piraten" oder Flüchtlinge aus der "Hölle"?

An Bord waren 12 Kinder

Fünf Festnahmen

Die Afrikaner waren der „Hölle“ Libyens entkommen. Die Angst, dorthin zurückgebracht zu werden, war überwältigend. Umso größer dann die Erleichterung, als die Geflüchteten Malta erreichten. Als eine der ersten durfte eine junge Mutter mit ihrem wenige Monate alten Baby das Schiff verlassen. Gefolgt von zahlreichen Minderjährigen.

Einige Männer knieten nieder und küssten den Boden, fünf wurden festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, die „El Hibru 1“ gekapert und die Besatzung gezwungen zu haben, Kurs auf Malta zu nehmen.

"Schutz und Aufnahme"

„Wir entziehen uns trotz der Dimension unserer Insel nicht unseren Pflichten. Wir werden alle internationalen Vorschriften respektieren“, erklärte der maltesische Premier Joseph Muscat. Er forderte, dass die  Menschen als Flüchtlinge betrachtet werden, die Schutz und Aufnahme verdienen.

Vorerst werden die Männer, Frauen und Kinder in einem Hotel in Marsa untergebracht.

Schwerste Menschenrechtsverletzungen

Im Bürgerkriegsland Libyen herrscht Chaos. In den Folterlagern finden schwerste Menschenrechtsverletzungen statt.

„Die Geretteten haben die Hölle hinter sich und standen der Besatzung eines Frachtschiffes gegenüber, die sie genau an jenen Ort zurückbringen sollte, dem sie unter Einsatz ihres Lebens zu entkommen versuchten“, sagte ein Sprecher von Sea-Eye.

Die deutsche Hilfsorganisation unterhält als eine der wenigen eine Beobachtermission vor Libyen.

Salvini bleibt hart

Italiens Innenminister Matteo Salvini hingegen bleibt bei seinem harten Kurs. Für ihn sind die Geflüchteten – ungeachtet der TV-Bilder von Dutzenden Kindern und Frauen – keine Schiffbrüchigen, sondern Piraten. „Sie werden Italien nur durch ein Fernrohr sehen“, twitterte Salvini. Der ultra-rechte Lega-Chef und Vize-Premier erteilte neuerlich allen Asylsuchenden eine Absage.

Das Frachtschiff wurde an dem Tag gekapert, an dem die EU die Mittelmeer-Mission „Sophia“ wegen des Streits um die Flüchtlingsaufnahme mit Italien eingestellt hat. Die EU-Staaten können sich nicht auf eine gerechte Regelung zur Flüchtlingsverteilung einigen.

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