Merz nächtigt bei Trump wie die Queen – im feinsten Bett Amerikas

International Charlemagne Prize (Karlspreis) 2025 in Aachen
Der US-Präsident lässt den Bundeskanzler gegenüber vom Weißen Haus edel logieren. Nicht jeder Staatsgast schafft es bis ins "Blair House”.

Wenn am „Blair House” zwei Gehminuten schräg gegenüber von Donald Trumps Amtssitz an der Pennsylvania Avenue in der Nacht zu Donnerstag die deutsche Flagge gehisst ist, weiß man: Friedrich Merz ist in der Stadt. Bei seinem Antrittsbesuch in Washington wird der Bundeskanzler in einem von außen unscheinbaren Backsteinbau nächtigen, an dem täglich Hunderte Touristen meist achtlos vorbeilaufen.

Dabei handelt es sich um ein 200 Jahre altes, einzigartiges Juwel, das den Vereinigten Staaten als wichtiges diplomatisches Instrument dient: Es ist das Luxus-Gästehaus für Staatsgäste. Wer hier den Koffer abstellt und VIP-Behandlung erfährt, kann von Wertschätzung und Anerkennung des Präsidenten ausgehen.

Für Friedrich Merz ist es eine Premiere, die zudem den deutschen Steuerzahler entlastet. Eine teure Übernachtung in einem der umliegenden Nobelhotels entfällt.

US-Präsident entscheidet, wer rein darf

Seit 1942 beherbergen US-Präsidenten, nur sie entscheiden letztlich darüber, wer rein darf und wer nicht, hochrangige Gäste in dem vom Außenministerium verwalteten Komplex aus vier strengstens bewachten Stadthäusern. 

Sie bieten rund 120 Zimmer mit 34 Badezimmern. Darunter sind 14 erlesen möblierte Suiten, in denen von Queen Elisabeth II., Charles de Gaulle und Margaret Thatcher über König Juan Carlos von Spanien und Ariel Sharon bis zu Russlands Präsident Wladimir Putin und Japans Kaiser Hirohito Hunderte Prominente der jüngeren Geschichte das müde Haupt betten durften, wenn sie zu Staatsgeschäften in Amerika waren.

FILES-US-DIPLOMACY-HISTORY-FRANCE

April 2007: Die japanische Flagge ist vor dem Blair House gehisst. Der damalige US-Präsident Bush traf den japanischen Premier Shinzo Abe

Rekordhalter mit nunmehr 14 Übernachtungen ist der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu. Angela Merkel, die 16 Jahre lang da war, wo Merz schon früher hinwollte, war als Kanzlerin ebenfalls mehrfach im exklusivsten Bed & Breakfast der Hauptstadt.

Erzählt die Geschichte Amerikas

Mit einer Nutzfläche von über 60.000 Quadratmetern ist die Multi-Residenz größer als das Weiße Haus. Die Stiftung, die das mehrfach aufwändigst renovierte Gebäude betreut, spricht von „Amerikas Haustür“, da hier ausländische Delegationen empfangen werden, die oft noch nie zuvor in den Staaten waren. Die Räume und die ausgestellten Sammlungen erzählen die amerikanische Geschichte.

Besonderheit: Für die Instandhaltung des Gebäudes und das Personal kommt der Staat auf. Kosten für die Neugestaltung der Einrichtung werden von einer gemeinnützigen Organisation getragen, die einen zweistelligen Millionenbetrag bei solventen Spendern eingesammelt hat.

Es gibt drei formelle Speisesäle, zwei große Konferenzräume, eine Bibliothek, einen Friseur-Salon, einen Fitnessraum und eine Wäscherei. 18 Vollzeitkräfte sorgen für einen Sechs-Sterne-Komfort, bei dem sich die Gäste in einem voll funktionsfähigen Museum befinden; mit Damast-Tapeten und einem Coromandel-Paravent aus dem 17. Jahrhundert.

1824 erbaut

Das „Blair House” wurde 1824 für Dr. Joseph Lovell, den ersten Generalarzt der US-Armee, erbaut. 1836 ging es für 6.500 Dollar in den Besitz von Francis Preston Blair über. Ein Journalist aus Kentuckydessen positive Berichterstattung über Präsident Andrew Jackson ihm einen Job bei der regierungsnahen Zeitung The Globe verschaffte. Für ein Jahrhundert blieb das „Blair House” im Besitz seiner Familie. In dieser Zeit wurden drei weitere Stadthäuser gebaut. 

Die Regierung kaufte 1942 zwei davon, was maßgeblich auf eine nächtliche Begegnung zwischen Eleanor Roosevelt und Winston Churchill zurückgeht. Der Brite strolchte eines Nachts im Nachthemd mit Zigarre verloren durch die Korridore des Weißen Hauses, wo er während einer Visite untergebracht war, und traf auf die entgeisterte First Lady, die darauf ihren Gatten bedrängte, ein Ausweichquartier für Gäste zu besorgen. Während der Regierung von Richard Nixon wurden zwei weitere Häuser hinzugekauft. 

Matthew Wendel, stellvertretender Protokollchef und Geschäftsführer des „Blair House” begrüßt die Ankommenden in der Regel persönlich und garantiert einen „heimeligeren Empfang als jeder rote Teppich“. Fast alle Gebrauchsgegenstände, die Bettwäsche, das Porzellan, die Türmatten, tragen ein eigens entworfenes Blair House-Logo.

Nacht vor der Vereidigung im „Blair House”

Der Charme des Interieurs und die fußläufige Nähe zum Oval Office ist auch dem US-Spitzenpersonal ans Herz gewachsen. Seit 1977 hat jeder designierte Präsident die Nacht vor der Vereidigung am Kapitol im „Blair House” verbracht, das hin und wieder auch Zufluchtsort für trauernde Präsidentenfamilien während einer Staatsbeerdigung war. 2018 hielt sich die Familie Bush hier nach dem Tod des früheren Präsidenten George H. W. Bush auf. 

Eine Seltenheit: 2021 war die Nobel-Adresse Interims-Wohnsitz von Joe Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris. Deren offizielle Residenz am „Observatory Circle” wurde damals renoviert. 

Längster Mieter war Präsident Harry S. Truman. Er lebte und regierte von 1948 bis 1952 im Blair House, nachdem im Weißen Haus ein Klavier durch eine Zwischendecke gebrochen war und man sich für eine umfassende Generalüberholung entschied.

Voller Anekdoten

Die „Blair House”-Historie ist voller Anekdoten, die oft erst Jahre später den Weg in die Öffentlichkeit fanden. So berichtet die ehemalige Managerin Mary Edith Wilroy 1982 in einem Buch von heiklen diplomatischen Momenten. Golda Meir verlangte einmal in letzter Minute eine Pediküre. Das Personal orderte aus der Küche kurzerhand eine große Edelstahlschüssel, in der die israelische Premierministerin ihre Füße baden konnte.

Während eines Besuchs des sowjetischen Staatschefs Leonid Breschnew lümmelten sich KGB-Agenten auf den samtenen Sofas - mit angezogenen Schuhen. 

1950 wurde ein Attentat auf Präsident Truman verübt. Zwei puertoricanische Nationalisten versuchten, sich mit Waffengewalt Zugang zum Blair House zu verschaffen. Leslie Coffelt, ein Polizist des Weißen Hauses, starb bei der Verteidigung des Präsidenten. Vor dem Haus wurde eine Gedenktafel angebracht, die an seinen Mut erinnert. Auch Friedrich Merz wird sie nicht übersehen.

Kommentare