Gefallene Brandmauer: Frankreichs Wirtschaft hat keine Scheu vor Rechtspopulisten

Ein Mann steht mit verschränkten Armen vor anderen Menschen
Zwischen den französischen Rechtsextremen und den Wirtschaftsmilieus gibt es längst Austausch – doch das Programm der Partei erscheint Experten unglaubwürdig.

Sollen Vertreter der Wirtschaft im Austausch mit rechtsextremen Parteien stehen, die immerhin von Millionen Menschen gewählt werden? In Deutschland nahm der Verband „Die Familienunternehmer“ nach lautstarkem öffentlichen Protest und Austritten von Mitgliedern eine Kurskorrektur vor und bezeichnete die vorherige Aufhebung des „Kontaktverbots“ zur AfD als Fehler.

In Frankreich gestaltet sich die Debatte anders. Kontakte zwischen Wirtschaftsvertretern und dem rechtsnationalen Rassemblement National (RN), teils auch zur radikaleren Partei „Reconquête“, bestehen längst. Der RN kämpft seit Monaten aktiv um die Gunst der Wirtschaft. Die Einladung von RN-Parteichef Jordan Bardella zu den Wirtschaftstagen des größten französischen Arbeitgeberverbandes Medef Ende August, neben prominenten Politikern anderer Parteien, galt als Selbstverständlichkeit. Er stehe für Ausgabenkürzungen, die Senkung der Produktionskosten und der Unternehmensabgaben, versicherte der EU-Abgeordnete.

Doch er überzeugte nur mäßig. Diese Versprechen seien schön und gut, betonten später die Unternehmer im Publikum, aber bei umstrittenen Themen wie der Rentenreform oder der Besteuerung der Reichsten sei Bardella schwammig geblieben. „Es ist leicht zu sagen, die Betriebe müssen laufen – das macht ihn noch nicht glaubwürdig“, sagte Sophie de Menthon, Chefin der Unternehmerlobby Ethic. Sie gehörte im Januar 2022 zu den ersten Vertretern der Wirtschaftswelt, die direkt in den Dialog mit den französischen Rechtsextremen traten. Inzwischen folgten viele weitere. 

Die Kleinunternehmer sind interessiert

Die Brandmauer ist in Frankreich nicht nur am Bröckeln, sondern eingestürzt. Umfragen zeigen, dass vor allem Kleinunternehmer dem RN mehr und mehr vertrauen, oft aus Enttäuschung über die anderen Parteien.

Dabei war der Mitbegründer und langjährige Chef des damaligen Front National, der mehrfach wegen Aufstachelung zum Rassenhass verurteilte Jean-Marie Le Pen, noch ein Außenseiter. Seine Tochter Marine Le Pen leitete ab der Übernahme der Partei 2011 deren Normalisierung ein. Sie beschloss 2018 die Namens-Änderung, verbot offen rassistische oder antisemitische Aussagen. Auch von der radikaler auftretenden deutschen AfD distanzierte sich der RN im Europawahlkampf 2024.

FILE PHOTO: French far-right RN party rally in Bordeaux

Marine Le Pen und Jordan Bardella

Heute führt die Partei in Frankreich die Umfragen an. Bardella ist der beliebteste Politiker des Landes. Der 30-Jährige hat gute Chancen bei der Präsidentschaftswahl 2027, falls Le Pen, aktuell RN-Fraktionschefin in der Nationalversammlung, aufgrund ihrer Verurteilung wegen der massiven Veruntreuung von EU-Geldern nicht kandidieren darf. Entschieden wird dies beim Berufungsprozess Anfang 2026.

Zwischen beiden Politikern herrscht eine Art Aufteilung. Le Pen bewirbt inzwischen zwar nicht mehr den Austritt Frankreichs aus der EU und der Euro-Zone. Doch ihr haftet der Ruf an, „sozialistisch“ zu sein, da sie als selbsternannte Verteidigerin der „kleinen Leute“ oft gegen „die Finanz-Oligarchie“ wettert. Bardella hingegen, der durch seine Auftritte auf TikTok viele jüngere Leute anzieht, soll neue Wählerschichten erschließen, wie die Rentner und eben auch das Wirtschaftsmilieu.

"Energie-Paradies"

In einem „Brief an die Unternehmer“ versprach er unter anderem, aus Frankreich dank des Baus neuer Atomreaktoren ein „Energie-Paradies“ zu machen und einen „positiven Steuer-Schock“ mit deutlichen Senkungen auszulösen. Hatte die Partei stets EU-Regeln bekämpft, so will sie erstmals, das Defizit Frankreichs unter das Maastricht-Kriterium von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes drücken. Die RN-Fraktion stimmte zuletzt gegen eine Aussetzung der Rentenreform und eine Sondersteuer für Superreiche, die sie vor Monaten noch bewarb.

So wagt die Partei einen weiten Spagat zwischen einer Politik für die Arbeiterklasse, die ihre Kernwählerschaft darstellt, und den Versprechen an die Wirtschaftselite. Experten kritisierten das Wirtschaftsprogramm, das auf einem fiktiven „spektakulären Wachstum“ sowie auf rechtlich fragwürdigen Maßnahmen wie der einseitigen Kürzung der französischen Beiträge zum EU-Budget basiere. Beim RN seien „große Amateure“ am Werk, kritisierte der diesjährige Wirtschafts-Nobelpreisträger Philippe Aghion. „Das sind keine seriösen Leute, sie sind unfähig, Frankreich zu verwalten.“

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