50 Jahre nach Francos Tod: Gen Z in Spanien sehnt sich nach Diktatur

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Ein halbes Jahrhundert nach dem Tod von Diktator Francisco Franco sind die Wunden in der spanischen Gesellschaft noch immer tief. Immer mehr Junge wünschen sich heute einen "starken Führer” zurück.

Die Meldung war so dringlich, dass die spanische Nachrichtenagentur Europa Press sie gleich dreimal über den Fernschreiber jagte: „Franco ist tot, Franco ist tot, Franco ist tot“ erreichte um 4.58 Uhr die Redaktionen des südeuropäischen Landes. Stunden später folgte die Bestätigung im Fernsehen: Francisco Franco - der faschistische Diktator Spaniens, der letzte Westeuropas - war im Alter von 82 Jahren gestorben. Es war der 20. November 1975

Seitdem ist ein halbes Jahrhundert vergangen; mehr als die Hälfte der heute 49 Millionen Spanier hat nur die Demokratie kennengelernt. Und doch ist es dem Land auf der Iberischen Halbinsel bis heute nicht gelungen, die Schatten seiner faschistischen Vergangenheit vollständig abzuschütteln.

Amnestie sollte friedlichen Übergang sichern

"General Franco starb vor 50 Jahren, doch der Franquismus starb nicht mit ihm", analysiert der Madrider Thinktank Real Instituto Elcano anlässlich des 50. Todestages. Franco hinterließ nach seinem Ableben seine Politiker und seine Institutionen. Für die Verbrechen des von ihm entfachten Bürgerkriegs und die Gräueltaten seiner fast 40-jährigen Herrschaft wurde niemand zur Verantwortung gezogen. Eine umfassende Amnestie sollte vielmehr den friedlichen Übergang des Landes sichern.

Das bedeutet auch: Die Opfer der Diktatur wurden bis heute nicht ausreichend entschädigt, eine ehrliche Vergangenheitsbewältigung ist nicht passiert. Stattdessen verfestigen sich Mythen und teils haarsträubende Falschinformationen zur Franco-Ära. Die Folge: Immer mehr - vor allem jüngere - Spanier wünschen sich heute einen „starken Führer“ zurück. Laut einer jüngsten CIS-Umfrage halten 21 Prozent die Franco-Diktatur für „gut“ oder „sehr gut“.

Befeuert wird dieser Trend vom Aufstieg der ultrarechten Vox-Partei, die den "Caudillo" teils unverhohlen verherrlicht und bei den 18- bis 24-Jährigen ihre stärksten Zugewinne verbucht. 61 Prozent ihrer Wähler befinden das heutige demokratische System für schlechter als das Franco-Regime. Doch selbst unter den Anhängern der gemäßigteren konservativen Volkspartei (PP) ist die Gruppe derjenigen, die die Diktatur positiv sehen, heute größer als die derjenigen, die sie negativ beurteilen.

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Francisco Franco und Juan Carlos im Oktober 1975.

Juan Carlos ist nicht erwünscht

Auch Juan Carlos I., der zwei Tage nach Francos natürlichem Ableben gekrönt wurde, findet heute vor allem positive Worte für den Diktator. Er habe diesen „enorm respektiert“, dessen Intelligenz und politischen Scharfsinn "geschätzt“. Und: "Ich habe niemals zugelassen, dass ihn jemand vor mir kritisierte", enthüllt der Altkönig unter anderem in seinen im Oktober in Frankreich erschienenen Memoiren.

Zu den offiziellen Feierlichkeiten zum Jahrestag der Wiederherstellung der Monarchie ist Juan Carlos, wegen diverser Liebes- und mutmaßlicher Finanzaffären in Ungnade gefallen, nicht. In den offiziellen Mitteilungen des spanischen Königshauses wird er erst gar nicht erwähnt. Lediglich im engsten Familienkreis im Palacio El Pardo wird er am Wochenende erwartet. Das Wiedersehen dürfte kühl ausfallen: So beklagt der heute 87-Jährige in seinem 500-Seiten-Werk auch die Kälte von Sohn Felipe (57) und Schwiegertochter Letizia und zeigt sich enttäuscht über seine Ehefrau Königin Sofía (87), die ihn nie in seinem Luxus-Exil in Abu Dhabi besucht habe. Zudem ärgert er sich, "der einzige Spanier" zu sein, "dessen Pension gestrichen wurde".

Regierung feiert "50 Jahre Freiheit"

In seiner Heimat kommt all das nicht gut an. Premier Pedro Sánchez bezeichnet das Franco-Kapitel in der Biografie als „besonders schmerzhaft“. Seine linkssozialistische Regierung will mit dem heurigen Gedenkjahr ("50 Jahre Freiheit") vor allem die Aufarbeitung der Franco-Verbrechen vorantreiben. Am heutigen Todestag des Diktators wird es keine offiziellen Staatsakte geben. 

Dafür organisiert die Francisco-Franco-Stiftung, deren Verbot die Regierung anstrebt, gemeinsam mit der Familie des Diktators Gedenkmessen. Erwartet werden zudem Märsche und Huldigungen von Franco-Anhängerinnen und -Anhängern im ganzen Land, etwa zum früheren Mausoleum und Pilgerstätte der Franquistas im „Tal der Gefallenen“. An dieser Stelle soll bald ein Besucherzentrum entstehen, das über den Horror des Bürgerkriegs informiert.

People gather for a praying outside the Valley of Cuelgamuros, in San Lorenzo de El Escorial

Bis 2019 lag Franco im "Tal der Gefallenen" begraben.

Kritiker werfen den regierenden Sozialisten indes vor, das Thema politisch auszuschlachten, um von eigenen Skandalen abzulenken. Die konservative PP, die weiterhin am "Pakt des Schweigens" festhalten will, hat die meisten Jubiläumsveranstaltungen boykottiert. 

„Versöhnung“, dem Titel von Juan Carlos‘ Biografie, die in Spanien erst im Dezember erscheint, ist nicht in Sicht.

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