Firmen wie Amazon ködern Pflegepersonal mit 30 Prozent mehr Lohn
Es kommt nicht oft vor, dass der Onlineversandhändler Amazon mit hohen Stundenlöhnen für Schlagzeilen sorgt. Womöglich ist es auch nur eine Frage der Perspektive. Konkret geht es in diesem Fall um 4 Euro 90 mehr pro gearbeiteter Stunde. Immerhin ein Plus von 30 Prozent.
Diese Erhöhung bietet der amerikanische Konzern neuen Mitarbeitern im kürzlich eröffneten Warenlager in der englischen Grafschaft Nottinghamshire. Zusätzlich gibt es einen einmaligen Wechselbonus in Höhe von 1.000 Pfund (1.160 Euro). Dies berichtet der Guardian.
Höhere Gehälter und Boni für Angestellte sind freilich keineswegs verboten, vielmehr sogar wünschenswert. Brisant wird die Sache in diesem Fall, weil es sich bei einem Großteil der Wechselwilligen um Bedienstete im (mobilen) Pflegebereich handelt. Der private und öffentliche Gesundheitssektor im Vereinigten Königreich, vor allem im englischen Landesteil, dürfte damit endgültig an die Grenzen der Belastbarkeit stoßen – und zwar unabhängig von einer vierten Corona-Welle.
Laut Hochrechnungen der National Care Association dürften in der Pflege am Jahresende 170.000 Personen fehlen, die mobile Versorgung droht zu kollabieren. Neben Amazon rekrutieren aktuell auch andere Unternehmen Mitarbeiter aus dem Gesundheitsbereich.
Eine bessere Entlohnung (der durchschnittliche Stundenlohn für eine Pflegekraft liegt bei weniger als zehn Euro) ist dabei nur einer der Beweggründe für eine neue Karriere. Nicht weniger entscheidend ist für viele die Corona-Impfpflicht, die im englischen Pflegesektor großflächig ab 11. November gilt.
Laut aktuellen Zahlen des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS sind trotz des umfassenden Impfprogrammes auf der Insel 41.000 Mitarbeiter noch gar nicht geimpft. Schätzungen der Regierungen gehen davon aus, dass bis zu 68.000 Pflegekräfte aufgrund der Impfpflicht kündigen könnten.
Impfpflicht überdenken
Die Zahl der Wechselwilligen ist auch deshalb so hoch, weil vor allem junge Frauen in der mobilen Pflege tätig sind. Und diese fürchten, eine Covid-Impfung beeinträchtige die Fruchtbarkeit. Die Sorge hält sich hartnäckig, obwohl sie wissenschaftlich unbegründet ist.
Die Gewerkschaft fordert die Regierung deshalb auf, die strikte Impfvorgabe zu überdenken oder anzupassen und verweist auf mitunter inkonsequente Regeln. Denn während die Betreuung künftig nur noch Geimpften möglich ist, dürfen Pflegebedürftige auch weiterhin von Ungeimpften Besuch erhalten. Um finanzielle Anreize zu schaffen, stehen Steuererleichterungen für Pflegebedienstete im Raum.
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