Jetzt dreht Trump an Europas Gashahn

Greenpeace-Protest gegen Putin und Trump vor einem
LNG-Terminal in Belgien
"Für russisches Gas gibt es keinen Ersatz“, sagte Wladimir Putin im April 2022, er wirkte dabei höchst zufrieden. Zwei Monate zuvor hatten seine Soldaten die Ukraine überfallen, und Europa kämpfte darum, sich aus seiner wirtschaftlichen Umarmung zu lösen: 45 Prozent des Gases kamen damals noch aus Russland, in Österreich waren es sogar 80; Europas Milliarden füllten Putins Kriegskasse.
Dreieinhalb Jahre später ist die Lage eine komplett andere. Unersetzbar, wie Putin meinte, ist sein Gas nicht: Zwar kommen noch immer knapp 19 Prozent des Gases in Europa aus Russland, doch Ende 2027 wird damit laut EU-Vorgaben Schluss sein. Der Kontinent hat auf Flüssiggas umgerüstet, und da wiederum sind die USA die Quelle Nummer eins – mit gewaltiger Tendenz nach oben: Im ersten Halbjahr 2025 kamen 55 Prozent des Flüssiggases aus den USA, im September waren es laut Daten des Brüsseler Think Tanks Bruegel sogar schon 67,9 Prozent.
Trumps „Energiedominanz“
Grund dafür ist nicht nur, dass Europa Putin die Kriegskasse leeren will. Auch der Druck aus Washington hat zu dieser Neuordnung des Marktes geführt: US-Präsident Donald Trump hat der EU nicht nur einmal mit Zöllen gedroht, wenn sie sich nicht völlig von russischer Energie lossagt – und zeitgleich US-Gas einkauft. Bei den Zollverhandlungen gestand Brüssel den USA sogar zu, bis zum Jahr 2028 Energieprodukte im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen. Das ist eine Verfünffachung der jetzigen Menge und damit ein völlig illusorischer Wert: Die USA müssten praktisch ihre ganzen Erdgas-Kapazitäten Richtung Europa verschiffen.
Europa stürzt dieser Druck in ein schweres Dilemma. „Wir ersetzen eine Abhängigkeit durch die nächste“, sagt Alexander Izmenyj, Experte beim Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen. Trump hat damit nämlich die Preise in der Hand: Brüssel will zwar diversifizieren, legt sich aber mit anderen Lieferanten an – Katar etwa drohte der EU kürzlich wegen des Lieferkettengesetzes mit einem LNG-Lieferstopp. Die Folge: Bei den Verhandlungen mit den USA „sitzen Europas Unternehmen am kürzeren Ast.“

Alles Strategie
Genau das war der Plan Washingtons. Nachzulesen ist der in diversen Strategiepapieren der ultrakonservativen Heritage-Foundation, und seit dem Frühjahr tagt im Weißen Haus auch ein eigener Beirat, der Amerika „Energiedominanz“ bringen soll. Der soll die USA, schon jetzt der größte Gas- und Ölförderer der Welt, komplett in einen „Petrostaat“ umbauen; Washington gibt Milliardensubventionen für Fracking- und Ölförderprojekte aus, fast fertige Wind- und Solarparks werden parallel stillgelegt. Das Ziel: Den Abstand zum Zweitplatzierten Russland – derzeit etwa ein Drittel der Fördermenge – vergrößern, und: Ähnlich wie Moskau „Energie auch als Waffe“ einsetzen, wie der Think Tank es formuliert.
Hintergrund dafür ist nicht nur die Hoffnung, dadurch Jobs zu schaffen, sondern der massiv steigende Energiebedarf innerhalb der USA. Durch den KI-Boom im Silicon Valley wird eine deutlich größere Strommenge als bisher benötigt – wie groß der sein wird, sprengt alle Dimensionen: Eine Chat-GTP-Anfrage verbraucht zehn Mal so viel Energie wie eine Google-Recherche, bis 2030 wird KI in den USA darum mehr Strom verbrauchen als die Produktion aller energieintensiven Güter zusammen, schätzt die Internationale Energieagentur. Um das nur mit US-produzierter Energie zu stemmen, bräuchte es 60 zusätzliche Atomkraftwerke. Derzeit gibt es 54.
Wenig Wunder, dass Trumps Leute im Ausland Ausschau halten, jedoch abseits der Öffentlichkeit. Während Trump von Europa einen Ausstieg aus Putins Energie fordert, verhandelt der US-Ölriese Exxon mit Putins Gasgiganten Rosneft. Gesprochen wird über die Wiederbelebung eines Förderprojekts auf Sachalin ebenso wie über eine Reaktivierung von Nord-Stream. Das hätte enorme Auswirkungen auf Europa: Die USA würden dann auch bei Russlands Gaslieferungen nach Europa mitreden – und freilich auch mitverdienen.
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