EU und Großbritannien: Welche Beziehung nach der Scheidung?

EU-Kommissionschefin von der Leyen in London beim britischen Premier Johnson
Brexit: EU-Kommissionschefin von der Leyen warnt Premier Johnson in London: Bis Jahresende ist die Zeit zu kurz für umfassende Kooperationsverträge

In drei Wochen ist sie vorbei – die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union. Höchste Zeit also für die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, im ausscheidenden Vereinigten Königreich noch einen Antritts- und gleichzeitig wohl auch Abschiedsbesuch zu absolvieren.

Und so herzlich von der Leyen und der britische Premier Boris Johnson einander am Mittwoch in London auch begrüßten, ihre Botschaft an den jeweils anderen hätte gegensätzlicher nicht sein können: Die Chefin der EU drängt auf Zeit – genau die aber will der britische Regierungschef nicht zugestehen.

„Im Grund ist das unmöglich, bis Jahresende alle Themen zu bearbeiten“, gab von der Leyen zu bedenken. Johnson aber beharrt: Am 31. Jänner tritt Großbritannien aus der EU aus. Die bis Jahresende laufende Übergangsfrist, in der sich für die Briten vorerst nichts ändert, soll keinesfalls verlängert werden. In diesem kurzen Zeitrahmen aber müssen EU und Großbritannien Verträge aushandeln, wie sie künftig zusammenarbeiten wollen.

Zunächst geht es um einen Handelsvertrag. Dabei streben beide Seiten eine Partnerschaft mit „null Zöllen, null Quoten und Dumping“ an. Aber zu klären gilt es zwischen den frisch Geschiedenen noch viel mehr: Denn kooperieren wollen und müssen die EU und Großbritannien auch beim Klima-und beim Datenschutz, bei den Fischerei-Rechten, beim Verkehr, den Finanzdienstleistungen und ganz besonders bei Fragen der Sicherheit.

Nur einige Eckpunkte

„Diese Vorgabe ist eine extreme Herausforderung“, glaubt auch David McAllister, Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament. Die echten Verhandlungen werden erst im März beginnen. Und bis Mitte Oktober müssten sie auch schon wieder beendet sein, damit genügend Zeit für die Ratifizierung bis Jahresende bleibt. „Mehr als Eckpunkte für ein oberflächliches Handelsabkommen für Waren“ werde sich in so kurzer Zeit nicht ausgehen, ist sich McAllister sicher. Deshalb müsse wohl auch noch nach der Übergangszeit weiter verhandelt werden.

Vor allem aber drängt der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen auf weitere enge Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Auch bei EU-Militärmissionen könnten die Briten weiterhin dabei sein. „Sie sind neben Frankreich die führende Militärmacht in Europa. Als Nicht-Mitgliedsstaat könnten sie zwar keine EU-Mission anführen, sehr wohl aber teilnehmen“, sagt McAllister.

Ob er sich denn vorstellen könne, dass eines Tages das unabhängige Schottland Antrag auf Aufnahme in die EU stellen werde, wird er gefragt. „Da bin ich strikt neutral“, lacht der Sohn eines schottischen Vaters. „In meiner Familie gibt es beide Flügel: Vehemente Anhänger einer schottischen Unabhängigkeit und genauso vehemente Gegner.

 

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