In der EU wird grünes Label für Gas und Atomkraft wohl zurückgenommen

In der EU wird grünes Label für Gas und Atomkraft wohl zurückgenommen
Die Ausschüsse des EU-Parlaments sprechen sich dagegen aus, Energie aus Atomkraft und Gas als "klimafreundlich" zu bezeichnen.

Sie ist so etwas wie die „Bibel für nachhaltiges Wirtschaften“ – die sogenannte Taxonomie, ein Leitfaden für private Anleger und Geldgeber, die ihr Geld in umweltfreundliche Technologien investieren wollen. Und ausgerechnet in dieser, mit grünem Label versehenen Liste fanden sich Atomkraft und Gas.

Umweltministerin Leonore Gewessler hatte diese, in der Silvesternacht von der EU-Kommission verkündete Entscheidung so sehr empört, dass sie sofort mit Klage vor dem EuGH drohte. „Die Kommission erfüllt damit nur die Wünsche der Atomlobby“, hatte sie sich damals geärgert.

Dazu muss es nun vielleicht gar nicht erst kommen. Denn der Sturm des Widerstandes bläst auch aus dem EU-Parlament. Dort stimmten am Dienstag zwei Ausschüsse  jeweils mehrheitlich gegen die umstrittene Einstufung von Kernkraft und Erdgas als „nachhaltige Energieformen“.

„Eine grüne Atomkraft gibt es nicht und daher dürfen auch Investitionen in die Atomkraft kein grünes Mascherl bekommen“, sagen die ÖVP-EU-Abgeordneten Othmar Karas und Alexander Bernhuber: „Einen solchen Etikettenschwindel lehnen wir ab.“ Mit ihnen ziehen auch die anderen 17 österreichischen EU-Abgeordneten mit: Beim Widerstand gegen Atomkraft gibt es keine Parteidifferenzen.

Mit  der gestrigen Abstimmung  ist das Signal gesetzt: Die endgültige Entscheidung wird  Anfang Juli im Parlament in Straßburg fallen. Dann dürfte, der jetzigen Stimmungslage entsprechend, die Mehrheit der 705 Abgeordneten die bekämpften Vorgaben der EU-Kommission kübeln. Das Absurde dabei: Das EU-Parlament hatte kein Recht, der Taxonomie-Verordnung zuzustimmen – doch es kann sie blockieren.

Frankreich machte Druck

Wie war es  so weit gekommen, dass Atomkraft und Gas als „grün“ eingestuft wurden? Es geht um Zigmilliarden an Investitionen, die private Anleger in Europa gern als „nachhaltig investiert“ sehen möchten. Auf mindestens 350 Milliarden Euro wird der Bedarf geschätzt, den es braucht, um die Wirtschaft in der EU in Richtung Nachhaltigkeit umzurüsten.   

Für die  Finanzbranche hat die Liste daher riesige Bedeutung. Sie  soll eine Art „Goldstandard“ für grüne, umweltfreundliche Investitionen sein. Sie verbietet nichts und verpflichtet zu nichts, soll aber ein unverzichtbarer Leitfaden sein. Da machte Frankreich massiven Druck, dass Kernkraft auf der Taxonomie-Liste stehen muss. Und da pochte Deutschland darauf, dass nur mithilfe von Erdgas auf lange Frist die Energiewende  zu schaffen sei.

Nacht-und Nebel-Aktion In einer Nacht- und Nebel-Aktion hatte die EU-Kommission dann in den letzten Stunden des Jahres 2021 den Delegierten Rechtsakt verabschiedet. Der darauf hin folgende Sturm der Entrüstung ließ nur ein paar Stunden auf sich warten: Atomkraft sollte  nach dem Willen der Kommission als nachhaltig gelten, wenn Fonds für die Lagerung des Atommülls und den Rückbau der Kraftwerke existieren und Pläne für ein Endlager existieren. Das sollte nicht nur Neubauten, sondern auch Laufzeitverlängerungen betreffen. Und Investitionen in fossiles Erdgas sollten wiederum bis 2030 möglich sein. 

Lehnt das Plenum des EU-Parlaments am 7. Juli die Taxonomie-Vorgaben der Kommission ab, sind sie endgültig vom Tisch. Dann muss die Kommission einen neuen Vorschlag vorlegen, was künftig in ihrem „Goldstandard“ für nachhaltige Investitionen in der EU zu finden ist.  

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