EU-Parlament: Orbán lehnt Einladung zu Sondersitzung ab

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Der Regierungschef war zu einer außerordentlichen Sondersitzung geladen, um Ungarns Position darzulegen. Er sagte ab.

Viktor Orbán will nicht nach Brüssel. Der Premierminister schlug eine Einladung des Präsidenten des EU-Parlaments, David Sassoli, zu einer außerordentlichen Plenarsitzung aus, die heute, Donnerstag, stattfinden soll. Dort sollen unter anderem die umstrittenen Corona-Notstandsgesetze in Ungarn thematisiert werden.

An Orbáns Stelle will Justizministerin Judit Varga kommen, Mitarchitektin des Corona-Pakets und rhetorisch brillanter Orbán-Sidekick. Die Ministerin suchte am Mittwoch via Twitter die Öffentlichkeit, um ihr Erscheinen zu rechtfertigen: „Welcher Premier würde während einer Pandemie innerhalb eines Tages einer Einladung nach Brüssel folgen?“

 

Orbán hatte sich Ende März vom ungarischen Parlament mit zeitlich unbegrenzten Sondervollmachten ausstatten lassen und war dafür international kritisiert worden. Die Reaktion aus Brüssel kam nur langsam, zuletzt gab EU-Justizkommissarin Věra Jourová sogar Entwarnung: Die Corona-Gesetze widersprechen dem EU-Recht nicht, heißt es bei der Kommission.

Doch wie Recherchen von Deutsche Welle ergaben, hat die Regierung Orbáns seither bereits mehr als 100 Dekrete und Anordnungen erlassen, die die Arbeit der Justiz sowie Bürgerrechte erheblich einschränken und - anders als im Gesetz angegeben - den Bezug auf das Coronavirus oft gar nicht erkennen lassen.

Das EU-Parlament will sich am Donnerstag in einer Sondersitzung dem Thema nähern.

Viktor Orbán weiß sich gegen Kritik mit Gegenangriffen zu verteidigen. In jüngster Vergangenheit schickt er aber immer öfter Minister wie Judit Varga (Justiz) und Péter Szijjártó (Äußeres) vor, um die ungarische Position zu verteidigen. Letzterer bestellte am Montag die Botschafter von Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden ins Ministerium, weil ihre Regierungen das Notstandsgesetz kritisiert hatten. Sie verbreiteten „Falschnachrichten“, so der Minister.

Zuhause hat die Polizei unterdessen alle Hände voll zu tun, um den im Notstandsgesetz enthaltenen „Fake-News“-Paragrafen zu überwachen.

Kein Medium, keine Privatperson darf Nachrichten verbreiten, die den Kampf gegen Covid-19 unterbindet. Websites, offene Social Media Gruppen, Twitteraccounts werden fast rund um die Uhr überwacht.

Am Dienstag wurden eine Privatperson und ein Oppositionsaktivist wegen Facebook-Posts vorübergehend festgenommen. Einer hatte sich über die in seinen Augen zu frühen Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen geärgert, der andere über die Entlassung von 1.700 Patienten, die Platz für Corona-Patienten machen mussten, berichtete das Nachrichtenportal 444.hu.

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