Spionage-Verdacht: Abgeordnete wollen ungarischen EU-Kommissar loswerden
Olivér Várhelyi ist seit Dezember 2024 EU-Kommissar für Gesundheit und Tierwohl
Zusammenfassung
- 35 EU-Abgeordnete fordern in einem Brief an Ursula von der Leyen die Entlassung des ungarischen EU-Kommissars Olivér Várhelyi wegen angeblicher Spionagetätigkeit.
- Recherchen zufolge soll die ungarische Regierung zwischen 2015 und 2017 versucht haben, über ihre Brüsseler Vertretung geheime Informationen aus EU-Institutionen zu erhalten, als Várhelyi dort Botschafter war.
- Die EU-Kommission sieht laut Sprecher bisher keine Hinweise auf ein Fehlverhalten Várhelyis als Kommissar, während Abgeordnete eine Untersuchung fordern.
Insgesamt 35 EU-Abgeordnete machen laut einem Bericht des Spiegel in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Druck, dem ungarischen Kommissar Olivér Várhelyi das Vertrauen zu entziehen und ihn aus der Kommission zu entlassen. Das Schreiben haben Sozialdemokraten, Grüne und Linke unterzeichnet, teilte das deutsche Nachrichtenmagazin im Voraus mit. Österreichische Abgeordnete sind nicht unter den Unterzeichnern des Briefs.
Hintergrund sind demnach Recherchen des Spiegel, der belgischen Tageszeitung De Tijd und des ungarischen Recherchemediums Direkt36, wonach die ungarische Regierung und ihre Auslandsvertretung in Brüssel zwischen 2015 und 2017 versucht haben, Mitarbeiter in EU-Institutionen zu gewinnen, um an geheime Informationen zu gelangen. EU-Botschafter der ungarischen Vertretung war zu dieser Zeit Várhelyi, der heutige Gesundheitskommissar der EU.
"Seine Nähe zu den Vorgängen gibt Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich des Vertrauens und der Integrität innerhalb des Kollegiums der Kommissare", heißt es in dem Schreiben. Es handle sich um einen weiteren "Skandal" bezüglich des ungarischen "Regimes", "das durch die Veruntreuung von EU-Geldern und anhaltende Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit" auffalle.
Die Mitunterzeichnerin und EU-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley (SPD) sagte dem Spiegel: "(Ungarns Regierungschef, Anm.) Viktor Orbán und seine Partei sind ein Sicherheitsrisiko für die Europäische Union, das wissen wir schon lange."
Schieder verlangt Untersuchung
Aus den Delegationen von SPÖ und Grünen hieß es auf Anfrage der APA, man teile inhaltlich die Bedenken, die in dem Brief zum Ausdruck gebracht werden. SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder fordert demnach eine vollständige Untersuchung der Anschuldigungen und allenfalls auch Konsequenzen. Es gebe diesbezüglich einen großen Erklärungsbedarf von Seiten der EU-Kommission, hieß es aus der SPÖ-Delegation.
Über die Vorwürfe gegen Várhelyi berichtete die Rechercheplattform Direkt36 in einem Artikel auf dem ungarischen Nachrichtenportal telex.hu. Demnach waren die unter diplomatischer Deckung spionierenden Beamten des ungarischen Auslandsgeheimdienstes IH offiziell bei der Ständigen Vertretung Ungarns bei der EU beschäftigt, als diese von Várhelyi geleitet wurde.
Der Vertraute des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán wechselte 2019 in die EU-Kommission. Ein Sprecher der Europäischen Kommission habe gegenüber Direkt36 erklärt, dass es keine Anzeichen dafür gebe, dass Várhelyi gegen seine Verpflichtungen als Kommissar verstoßen habe.
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