EU einigt sich auf Gewinnabschöpfung bei Energiefirmen
Die EU-Staaten haben sich angesichts hoher Energiepreise auf europäische Notmaßnahmen verständigt, um Strom zu sparen und Entlastungen zu finanzieren. Die zuständigen Minister einigten sich am Freitag darauf, dass Energieunternehmen künftig einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat abgeben müssen, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte.
Mit diesem Geld sollen Verbraucher entlastet werden. Die Einigung muss noch formell bestätigt werden. Den entsprechenden Plan, der nun abgesegnet wurde, hatte die EU-Kommission bereits vor zwei Wochen vorgelegt.
Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen erwartet sich davon "mehr als 140 Milliarden Euro für die Mitgliedsstaaten, um die Not unmittelbar abzufedern". Die übermäßigen Gewinne sollen dann an Verbraucher verteilt werden, um sie bei den exorbitant hohen Kosten zu entlasten.
Der Strompreis orientiert sich immer am teuersten Kraftwerk, weshalb der hohe Gaspreis derzeit auch den Strompreis in die Höhe treibt. Das heißt, dass auch Produzenten von billigerem Strom - etwa aus Sonne, Wind, Atomkraft oder Kohle - zu den hohen Preisen verkaufen können. Firmen, die Elektrizität nicht aus Gas herstellen, sollen mit der neuen Regelung künftig einen Teil dieser Gewinne abgeben.
Aber auch Gas- und Ölkonzerne sollten von der Leyen zufolge ihren Beitrag leisten. Auf Profite des laufenden Jahres, die 20 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre lagen, sollen sie eine Solidaritätsabgabe von 33 Prozent zahlen.
Geplant sind zudem Maßnahmen, um den Stromverbrauch der EU-Länder insgesamt zu senken. So soll der Stromverbrauch zu Spitzenzeiten verpflichtend um mindestens fünf Prozent gesenkt werden, weil er dann besonders viel kostet, wenn teures Gas zur Produktion genutzt werden muss. Insgesamt sollten die EU-Länder ihren Stromverbrauch freiwillig um 10 Prozent senken.
Die Minister wollten auch einen EU-weiten Gaspreisdeckel diskutieren, wie ihn mehr als die Hälfte der EU-Staaten gefordert hat. Dazu sollte es noch keinen Beschluss geben. Deutschland hatte den Vorschlag von Italien, Frankreich, Belgien und anderen Ländern nicht unterstützt und mit der Versorgungssicherheit argumentiert. Habeck warnte, man dürfe es nicht dazu kommen lassen, dass zu wenig Gas nach Europa komme.
Was umfasst der Beschluss?
Eine Art Robin-Hood-Prinzip: Die EU-Staaten treiben aufgeblähte Gewinne von Energiekonzernen ein, die den massiven Preissteigerungen durch den Ukraine-Krieg geschuldet sind. Die Einnahmen wollen die Regierungen dann an bedürftige Haushalte und Unternehmen weiterleiten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die möglichen Einnahmen auf rund 140 Mrd. Euro beziffert. Das Geld werde "denjenigen zugute kommen, die es am meisten brauchen", versprach sie.
Welche Energie-Erzeuger sind betroffen?
Abgeschöpft werden sollen übermäßige Gewinne bestimmter Energie-Unternehmen, die Strom vergleichsweise günstig aus Wind- und Solarenergie, Kernkraft oder Braunkohle produzieren. Sie profitieren von den wegen des Ukraine-Krieges extrem gestiegenen Gaspreisen. Denn in Europa orientiert sich der Strompreis an der teuersten Quelle, und die ist derzeit Gas.
Wie funktioniert das Abschöpfen?
Der Gewinn der Erzeuger wird gedeckelt. Als Richtwert gelten 180 Euro pro Megawattstunde Strom, das ist etwa die Hälfte des derzeitigen Marktpreises. Alles darüber können die Mitgliedsländer eintreiben. Allerdings einigten sich die Mitgliedstaaten darauf, diesen Deckel flexibel anzuwenden. Das heißt, sie können je nach Bedarf mehr oder weniger abschöpfen.
Was ist mit Öl-, Gas- und Treibstoffkonzernen?
Für solche Konzerne wird in der EU für die Dauer der Krise eine verpflichtende "Solidaritätsabgabe" eingeführt. So sollen etwa Mineralölkonzerne im laufenden Jahr "übermäßige Gewinne" abgeben müssen, wenn sie mindestens 20 Prozent über dem Schnitt der vergangenen drei Jahre liegen. Auch dieses Geld wollen die Mitgliedsländer an die Verbraucher weitergeben.
Welche Rolle spielt das Energiesparen?
Eine große. Per Stromsparpflicht soll der nationale Energieverbrauch um mindestens fünf Prozent zu Spitzenzeiten sinken. Ziel ist, die Energiemärkte zu beruhigen und die Preise zu senken, wie es in der EU-Verordnung heißt.
Wie schnell greifen die Pläne?
Die geplante EU-Verordnung gilt unmittelbar. Sie greift nach dem Beschluss vom Freitag also bereits diesen Winter.
Was ist mit den Gaspreisen?
Darüber streitet die EU noch. Die deutsche Regierung hatte am Donnerstag eine nationale Gaspreisbremse statt der umstrittenen Gasumlage für die Verbraucher angekündigt. Den "Abwehrschirm" von bis zu 200 Mrd. Euro will die "Ampel" über Kredite finanzieren.
Was ist das Problem?
Viele andere EU-Länder können sich eine solche Schuldenfinanzierung nicht leisten. Eine Mehrheit von 15 der 27 Staaten drängt deshalb auf eine europaweite Preisobergrenze für Gasimporte. Deutschland ist bisher dagegen. Berlin argumentiert wie die EU-Kommission, die USA, Norwegen oder Algerien könnten das dringend benötigte Flüssiggas (LNG) nach Asien liefern, wenn Europa ihre Gewinne begrenzen will.
Deutschlands Wirtschaftsminister Habeck räumte aber ein, dass sich die Partnerländer wegen der russischen Gaslieferstopps derzeit "dumm und dämlich verdienen". Er plädiert deshalb dafür, mit den Ländern zu sprechen.
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