Erdoğan in Budapest: Ein türkischer Gefallen

Viktor Orbán, Recep Tayyip Erdoğan und İlham Aliyev bei einem Treffen.
Hoher Besuch am Nationalfeiertag: Erdoğan reist nach Budapest – für Orbán eine Machtdemonstration. Thema wird auch Schwedens NATO-Beitritt sein.

Der ungarische Regierungschef war einer der Ersten: Noch vor Auszählung aller Stimmen des zweiten Durchgangs der türkischen Präsidentschaftswahl am 28. Mai hatte Viktor Orbán Recep Tayyip Erdoğan via Twitter bereits zum "unbestreitbaren Sieg" gratuliert. Wenige Tage später war Orbán bei Erdoğans Angelobung in Ankara zu Gast.

Am Sonntag, wiederum beehrt der türkische Präsident Budapest mit einem Besuch – und zwar nicht an irgendeinem Tag, sondern an einem der wichtigsten Nationalfeiertage Ungarns, an dem der Gründung des Staates unter König Stephan I. vor 1.000 Jahren gedacht wird.

Für Orbán ist der Besuch vor allem eine Machtdemonstration – sowohl nach innen an die ungarische Bevölkerung als auch nach außen Richtung Brüssel. Seine Bewunderung für starke, autoritäre Führerpersönlichkeiten ist bekannt, seine öffentlichen Schulterschlüsse eine bewusste Provokation.

Wirtschaftlich verbindet die beiden Länder wenig; Ausnahme sind die Gaslieferungen, die Ungarn aus Moskau über die russisch-türkische Pipeline Turkish Stream bekommt sowie türkische Waffenlieferungen, mit denen Ungarn seine Armee aufrüstet. Vielmehr sieht Orbán in Erdoğan einen wesentlichen Partner im Kampf gegen Migration – und eine Möglichkeit, sich unter anti-liberalen Kräften zu vernetzen und als bedeutenden europäischen Politiker ins Gespräch zu bringen.

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Etwa bei den autokratisch regierten, zentralasiatischen Staaten: Seit 2018 hat Ungarn einen Beobachter-Status in der Organisation der Turkstaaten (OTS). In der Vergangenheit sprach Orbán bei Treffen der OTS oder mit Erdoğan regelmäßig von einem hunnisch-türkischen Ursprungs der ungarischen Sprache. Dass eine Verwandtschaft des Ungarischen mit den Turksprachen in den Sprachwissenschaften als widerlegt gilt, störte ihn bisher wenig.

Recep Tayyip Erdoğan und Viktor Orbán stehen zusammen vor türkischen und ungarischen Flaggen.

Recep Tayyip Erdoğan und der ungarische Premierminister Viktor Orbán beim letzten Besuch des türkischen Präsidenten 2019 in Budapest.

Treue Rückendeckung

Aus Sicht der Türkei wird der Besuch in Budapest als freundliche Geste oder gar Gefallen verstanden – schließlich stärkt Ungarn in der Debatte um die NATO-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands seit jeher den Rücken der Türkei. Für Orbán ein weiteres Machtspiel, während Erdoğan die Blockade im Wahlkampf nutzte, um sich als Beschützer des türkischen Volkes vor der kurdischen Terrormiliz PKK darzustellen.

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Das weitere Vorgehen in der NATO-Frage wird beim Treffen der Staatschefs jedenfalls Thema sein – zwischen den Programmpunkten der Feierlichkeiten wie der Flugshow der Luftwaffe über der Donau und der traditionellen Prozession. Beim NATO-Gipfel in Vilnius im Juni hatte der türkische Präsident angekündigt, die Türkei werde Schwedens NATO-Mitgliedschaft ratifizieren. Beobachter gehen davon aus, dass die Parlamente in Ankara und Budapest dem Beitritt im Oktober zustimmen werden.

Entscheidender als der Besuch in Budapest wird aber Erdoğans Besuch in den USA bei der UN-Generalversammlung Mitte September sein. Ein bilaterales Treffen mit US-Präsident Joe Biden gilt als so gut wie fix. Dabei dürften die letzten Details zu den versprochenen F-16-Kampfjets besprochen werden, die Biden Erdoğan im Gegenzug für die Aufhebung der Blockade in Aussicht gestellt hat.

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