Erdoğan: Der kranke Mann am Bosporus – wie steht es wirklich um ihn?

Turkish President Tayyip Erdogan attends a ceremony in Ankara
Der türkische Präsident muss mitten im Wahlkampf immer mehr Termine absagen. Geht so der Machterhalt verloren?

Es war ein historischer Tag: Am Donnerstag ging das erste türkische Kernkraftwerk Akkuyu im Süden des Landes ans Netz. Ein Event, den sich Präsident Recep Tayyip Erdoğan schon in Normalzeiten niemals entgehen lassen hätte. Und jetzt in der Intensivphase des Wahlkampfes schon gar nicht. Allein: Er konnte nicht anwesend sein, gesundheitliche Probleme verhinderten dies. Und nicht nur im Land am Bosporus fragt man sich: Wie krank ist der Staatschef, der sich am 14. Mai seiner Wiederwahl stellt, die diesmal sehr unsicher ist?

Faktum ist, dass Erdoğan bereits am Dienstag ein Live-Interview vorerst abbrechen musste. Als die Kamera auf den Fragesteller gerichtet war, hörte man im Hintergrund ein nicht zu identifizierendes Geräusch und dann eine männliche Stimme: „Eyvah, eyvah“ (frei übersetzt „Oh mein Gott“).

Der Präsident kehrte dann (nach einer Werbepause) zwar zurück, sah aber äußerst geschwächt aus. Alle drei für den darauffolgenden Mittwoch vorgesehenen Wahlkampfauftritte wurden abgesagt. Zur AKW-Eröffnung wurde Erdoğan per Video zuschaltet. Auch Kremlchef Putin war via Internet dabei.

Zuvor waren im Internet Berichte aufgetaucht, der Vorsitzende der konservativ-islamischen AK-Partei habe einen Herzinfarkt erlitten, habe ins Spital eingeliefert werden müssen.

Alles Nonsens, erklärte Erdoğan-Sprecher Fahrettin Altun sofort: „Wir weisen solche unbegründeten Behauptungen bezüglich der Gesundheit des Präsidenten kategorisch zurück.“ Auch der stellvertretende Staatschef Fuat Oktay rückte aus: „Wir stehen ständig in Kontakt. Er hat sich etwas erkältet.“

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Schon in früheren Jahren gab es bisweilen wilde Gerüchte um die Gesundheit Erdoğans. Doch Konkretes drang nie an die Öffentlichkeit, das Thema wurde und wird wie ein Staatsgeheimnis behandelt.

Dass der Präsident gerade jetzt ausfällt, ist für viele Beobachter aber ein Zeichen dafür, dass er schwerer angeschlagen ist. Denn einerseits sind das „Bad in der Menge“ und der wohl inszenierte Wahlkampfauftritt jene Situationen, in denen Erdoğan zur Höchstform aufläuft und bei den Wählern punkten kann. Und andererseits wäre es gerade jetzt für ihn wichtig, präsent zu sein, denn erstmals nach gut 20 Jahren an der Macht drohen dem 69-Jährigen und seiner AKP eine Niederlage – gegen den Kandidaten der vereinten Opposition, Kemal Kiliçdaroğlu.

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