Drohnen explodierten über Atomkraftwerk Saporischschja

Das Atomkraftwerk Saporischschja
Die Schutzhülle des sechsten Reaktors des russisch besetzten Atomkraftwerks Saporischschja soll dreimal getroffen worden sein.

Das russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine ist zum Ziel von Drohnenangriffen geworden. Die Schutzhülle des sechsten Reaktors sei dreimal getroffen worden, teilte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, am Sonntag im sozialen Netzwerk X (früher Twitter) mit. Laut IAEA war die nukleare Sicherheit nicht gefährdet. Dennoch sei dies „ein schwerwiegender Vorfall, der das Potenzial hatte, die Unversehrtheit der Reaktorschutzhülle zu verletzen“, erklärte die Behörde, die mit einem Beobachterteam ständig vor Ort ist. Die russische Kraftwerksleitung machte die Ukraine für die Angriffe verantwortlich; Kiew wies dies zurück.

Der russische Beschuss auf die ostukrainische Millionenstadt Charkiw ging unterdessen auch am Sonntag weiter. In Kiew forderte Präsident Wolodimir Selenskij in seiner abendlichen Videobotschaft die westlichen Partner nachdrücklich auf, zum Schutz der Stadt mehr Flugabwehrsysteme zu liefern. Die Nacht auf Montag begann für die Ukraine wieder mit Angriffen russischer Kampfdrohnen, die vor allem den Süden und den Norden des Landes bedrohten. Am Montag wird der 775. Tag des russischen Angriffskriegs gezählt.

Erste direkte Treffer auf AKW Saporischschja seit Ende 2022

Die direkten Treffer auf Europas größte Atomanlage Saporischschja waren nach Grossis Angaben die ersten seit November 2022. „Das darf nicht passieren“, schrieb er. Niemand könne einen militärischen oder politischen Nutzen aus Angriffen gegen Atomanlagen ziehen. Die russische Kraftwerksleitung berichtete von der Explosion einer Drohne über der Kuppel des sechsten Reaktors. Auf ihrem Telegram-Kanal machte die Werksleitung die ukrainische Armee für den Angriff verantwortlich. Gefährliche Schäden gebe es aber nicht, hieß es. Die Strahlung in und um das AKW entspreche der Norm.

Den russischen Angaben nach war schon früher am Sonntag eine Drohne an der Kantine des AKW eingeschlagen. Dabei seien drei Mitarbeiter verletzt worden. Der IAEA lagen hingegen nur Informationen über ein Opfer vor. Überprüfbar waren die Angaben der russischen Seite nicht. Sie klagt seit Tagen über zunehmende Drohnenattacken auf das Werk und macht dafür die Ukraine verantwortlich.

Der Sprecher des Militärgeheimdienstes HUR in Kiew, Andrij Jussow, beteuerte jedoch, die Ukraine sei an den „militärischen Provokationen“ am Kraftwerk nicht beteiligt. Solche vorgetäuschten Angriffe seien gängige Praxis der russischen Besatzer, sagte er dem Online-Portal Ukrajinska Prawda. Das Atomkraftwerk war im Frühjahr 2022 von russischen Truppen besetzt worden. Die sechs Reaktoren liegen still, müssen aber gekühlt werden.

Selenskij: Charkiw braucht bessere Flugabwehr

Angesichts ständiger russischer Luftangriffe auf Charkiw forderte Selenskij von den ausländischen Verbündeten dringend zusätzliche Flugabwehrsysteme. „Es ist ganz offensichtlich, dass die Luftverteidigungskapazitäten, die wir in der Ukraine haben, nicht ausreichen - und das ist allen unseren Partnern klar“, sagte Selenskij in einer Videobotschaft. Er trug ukrainischen Diplomaten und Unterhändlern auf, mit Unterstützerstaaten entsprechenden Nachschub zu vereinbaren.

Am Sonntagmittag schlugen nach Angaben der örtlichen Staatsanwaltschaft erneut zwei Fliegerbomben in Charkiw ein und verletzten fünf Menschen. 13 Mehrfamilienhäuser und andere Gebäude seien beschädigt worden. In der Nacht auf Samstag waren sechs Menschen getötet und elf verletzt worden.

Die Energieversorgung der grenznahen Millionenstadt ist bereits angeschlagen; befürchtet wird, dass Russland die Stadt durch Dauerbeschuss unbewohnbar machen will. Wegen des ständigen Beschusses erwägen die ukrainischen Behörden, zwei Landkreise im Gebiet Charkiw direkt an der russischen Grenze zu evakuieren, wie Gouverneur Oleh Synjehubow am Sonntag dem Fernsehsender Rada sagte.

Ukrainische Gegenangriffe auf Gebiet Belgorod

Gegenüber von Charkiw liegt auf russischer Seite das Gebiet Belgorod, das am Sonntag Ziel ukrainischer Drohnenangriffe in mehreren Wellen wurde. Durch Trümmer einer abgeschossenen Kampfdrohne sei ein Mädchen getötet worden, das mit seiner Familie in einem Auto saß, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram mit. Der Familienvater und drei Kinder in dem Auto seien verletzt worden. Die Drohne sei über dem Dorf Schagarowka bei der Gebietshauptstadt Belgorod abgestürzt.

Schon am Samstag und in der Nacht auf Sonntag hatte es den Angaben zufolge Drohnenangriffe von ukrainischer Seite gegeben. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, am Sonntagnachmittag seien zwölf Drohnen über dem Gebiet Belgorod und drei über der Nachbarregion Brjansk abgefangen worden. Die ukrainische Armee versucht mit solchen Angriffen, die russischen Einheiten in und um Belgorod an Attacken auf Charkiw zu hindern. Das Ausmaß der Zerstörung auf russischem Boden ist dabei nicht zu vergleichen mit dem, was Russland in der Ukraine anrichtet.

Das wird am Montag wichtig

Der russische Außenminister Sergej Lawrow beginnt einen zweitägigen China-Besuch. In Peking will er mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi über den Krieg in der Ukraine und andere internationale Themen sprechen. China gilt als enger Verbündeter Russlands, betont in dem Konflikt aber offiziell seine Neutralität. Die Regierung in Peking hat selbst einen Friedensplan vorgeschlagen, den die ukrainische Führung wegen der Nähe zur russischen Position ablehnt.

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