Dresden: SPD-Spitzenkandidat angegriffen, muss operiert werden
Er wollte Wahlplakate für seine Partei anbringen, nun liegt der sächsische SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke im Krankenhaus.
Am Freitagabend ist er in Dresden von vier Unbekannten angegriffen und schwer verletzt worden. Die Tätergruppe schlug auf den 41-Jährigen ein, wie Polizei und Partei am Samstag mitteilten. Er habe im Krankenhaus operiert werden müssen.
Wenige Minuten vor dem Angriff hatte laut Polizei bereits eine vierköpfige Gruppe einen 28-jährigen Wahlkampfhelfer der Grünen ebenfalls beim Plakatieren attackiert. Die Täter schlugen und traten ihn, auch er wurde verletzt.
Die Ermittler des Staatsschutzes gehen aufgrund der übereinstimmenden Personenbeschreibungen sowie der zeitlichen und örtlichen Nähe davon aus, dass es sich um dieselben Täter handelt. Beide Vorfälle ereigneten sich im bürgerlich geprägten Stadtteil Striesen, der vor allem durch seine alten Villen geprägt ist.
Vorfälle häufen sich
Mittlerweile hat nach Angaben des sächsischen Innenministeriums die Task Force Gewaltdelikte des Landeskriminalamtes die Ermittlungen übernommen. Die Vorfälle von Dresden reihen sich ein in eine Folge von Angriffen auf Parteimitglieder im Vorfeld der Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni.
Erst am Donnerstagabend waren der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und sein Parteikollege Rolf Fliß nach eigenen Angaben nach einer Parteiveranstaltung in Essen attackiert worden. Am vergangenen Wochenende waren Mitglieder der Grünen in Chemnitz und Zwickau beim Anbringen von Wahlplakaten angegriffen worden. Im niedersächsischen Nordhorn wurde am Samstagmorgen ein Landtagsabgeordneter der AfD nach Polizeiangaben an einem Infostand geschlagen.
Olaf Scholz forderte ein geschlossenes Vorgehen gegen Rechts
Nach einer Studie für die Heinrich-Böll-Stiftung treffen die Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Angriffe Frauen wie Männer und Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in ähnlichem Maße, und zwar sowohl in ost- als auch in westdeutschen Ländern sowie über alle Parteigrenzen hinweg.
Auffällig ist aber ein Trend, den die Bundesregierung jüngst auf eine Kleine Anfrage der AfD im Bundestag offenlegte - nicht speziell zu Kommunalpolitikern, sondern gemünzt auf alle politischen Ebenen: Waren noch 2019 vor allem Vertreter der AfD Ziel von Anfeindungen, so verlagerte sich der Hass vermehrt auf die Grünen. Für die AfD wurden 2023 nach vorläufigen Zahlen bundesweit 478 Fälle aktenkundig, für die Grünen 1.219. Für alle Parteien zusammen wurden von 2019 bis 2023 nach Regierungsangaben 10.537 Straftaten gemeldet.
Zahlreiche Landes- und Bundespolitiker in Deutschland verurteilten den Angriff auf Ecke am Samstag. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte ein geschlossenes Vorgehen gegen Rechts. Der Angriff auf Ecke sei bedrückend, sagte Scholz am Samstag bei einem Demokratiekongress zur bevorstehenden Europawahl in Berlin. "Die Demokratie wird von so etwas bedroht, und deshalb ist achselzuckendes Hinnehmen niemals eine Option", sagte Scholz. "Wir müssen gemeinsam dagegen stehen."
"Angriff auf unsere demokratischen Werte"
Auch mit Attacken auf grüne Kandidatinnen und Kandidaten sowie Kommunalpolitiker und -politikerinnen dürfte man sich nicht abfinden. Dass so etwas geschehe, habe auch etwas mit Reden, die gehalten würden, und mit Stimmungen, die erzeugt würden, zu tun, sagte Scholz mit Blick etwa auf die rechtspopulistische AfD. Scholz wünschte Ecke beste Genesung - er sprach sich zudem für eine rückhaltlose Aufklärung aus.
Der Überfall sei ein "unübersehbares Alarmzeichen an alle Menschen in diesem Land", sagten die sächsischen SPD-Landesparteivorsitzenden Henning Homann und Kathrin Michel laut Mitteilung. "Die Reihe von Angriffen durch Schlägertrupps auf Plakatierteams demokratischer Parteien sind ein Angriff auf die Grundfesten unserer Demokratie. Das gewalttätige Vorgehen und die Einschüchterung von Demokratinnen und Demokraten ist das Mittel von Faschisten." Die Saat, die AfD und andere Rechtsextreme gesät hätten, gehe auf, deren Anhänger seien völlig enthemmt.
Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) teilte bei X (vormals Twitter) mit: "Es ist schockierend und ein Angriff auf unsere demokratischen Werte, die Attacke auf SPD-Spitzenkandidat Matthias Ecke entsetzt mich zutiefst und ist durch nichts zu rechtfertigen." Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kenne man aus den dunkelsten Epochen der deutschen Geschichte.
Wahlkämpfe ohne Gewalt
Auch die SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil verurteilten den Angriff scharf. "Dieser hinterlistige Angriff macht unsere gesamte Partei betroffen. Er ist ein Angriff auf alle Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer, die mit Leidenschaft für unsere Demokratie und den Rechtsstaat eintreten", hieß es in einer Erklärung vom Samstag.
Die Grünen-Parteichefin Ricarda Lang schrieb auf der Plattform X, Gewalt im Wahlkampf sei ein Angriff auf die Demokratie und damit auf uns alle. Ihre volle Solidarität gelte Ecke. Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sprach von Angriffen auf unsere Demokratie. "Sie sind der widerliche und unentschuldbare Ausfluss einer Verrohung von Sprache, Debatte und der Enthemmung in den sogenannten sozialen Medien."
Auch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla schieb auf X: "Physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen wir zutiefst. Wahlkämpfe müssen inhaltlich hart und konstruktiv, aber ohne Gewalt geführt werden." Der selbst aus Sachsen stammende Bundespartei- und Bundestagsfraktionschef wünschte Ecke "viel Kraft und rasche Genesung".
"Neue Dimension von antidemokratischer Gewalt"
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte ein hartes Vorgehen des Rechtsstaats an. Faeser sagte: "Wenn sich ein politisch motivierter Anschlag auf den Europaabgeordneten Matthias Ecke wenige Wochen vor der Europawahl bestätigt, dann ist diese schwere Gewalttat auch ein schwerer Angriff auf die Demokratie. Wir erleben hier eine neue Dimension von antidemokratischer Gewalt."
Sie fügte an, Extremisten und Populisten, die mit völlig entgrenzten verbalen Anfeindungen gegen demokratische Politikerinnen und Politiker ein zunehmendes Klima der Gewalt schürten, trügen eine Mitverantwortung dafür, dass es immer häufigere Attacken gebe. "Der Rechtsstaat muss und wird hierauf mit einem harten Vorgehen und weiteren Schutzmaßnahmen für die demokratischen Kräfte in unserem Land reagieren. Ich werde darüber sehr schnell mit den Innenministerinnen und Innenministern der Länder beraten."
Die Grünen in Sachsen haben nach den Angriffen vom vergangenen Wochenende bereits reagiert und schicken ihre Mitglieder nicht mehr alleine zum Plakatieren. Auch in anderen Parteien gibt es solche Überlegungen und Vorgaben mittlerweile.
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