Gerüchten zufolge soll der Premier gegen seinen Vorgänger schießen. Am Donnerstag Abend soll sich Draghi in einer Pressekonferenz äußern.
30.06.22, 16:50
aus Mailand Andrea Affaticati
Zwei Fragen beschäftigen derzeit ganz Italien: Hat Premier Mario Draghi dem Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung, Beppe Grillo, wirklich gesagt, er solle Ex-Premier Giuseppe Conte, heute Chef der Bewegung, aus dem Weg schaffen? Das berichtete zumindest eine italienische Zeitung. Und würde das Folgen für die Regierungskoalition haben, ist sie vielleicht gar am Ende?
Draghi selbst hat die Spekulationen weiter befeuert; ob bewusst oder unbewusst, lässt sich nicht sagen. Als ihn italienische Journalisten am Rande des NATO-Gipfels fragten, ob er Grillo wirklich gebeten habe, Conte aus der Bewegung zu entfernen, lautete Draghis kryptische Antwort: "Wir haben telefoniert und begonnen uns auszusprechen. Morgen werden wir uns wieder hören."
Erst am Abend kam dann die offizielle Stellungnahme der Regierung: "Der Premier hat Beppe Grillo weder gesagt noch ihn gebeten, Giuseppe Conte von der Führung der Partei zu entheben."
Die Wogen der Aufregung hat diese Stellungnahme nicht geglättet.
Ein aufgebrachter Giuseppe Conte hatte sich schon vor laufende Kameras gestellt und Draghis vermeintlichen Versuch, ihn mit Grillos Hilfe aus der Bewegung zu verjagen, als "folgenschwer" bezeichnet. Es sei unerhört, so Conte, "dass ein Premier, der noch dazu ein Technokrat ist, sich in interne Angelegenheiten einer Partei einmischt."
Ein weiteres Indiz, dass an der Geschichte etwas dran sein könnte, ist die Tatsache, dass Draghi den NATO-Gipfel vorzeitig verlassen hat, um nach Rom zurückzukehren. Das bedeutet: Der Vorfall ist keine Bagatelle und könnte sogar das Fortbestehen der Koalition gefährden, obgleich das sowohl Conte als auch Draghi ausgeschlossen haben.
Di Maio zog aus
Aber auf diese Versicherungen würde in Italien derzeit niemand wetten. Nicht zuletzt, weil seit einer Woche in der Koalition vieles anders ist.
Zunächst hat der ehemalige Vorsitzende der Fünf-Sterne-Bewegung und jetzige Außenminister Luigi Di Maio seinen Austritt aus der Bewegung verkündet. Der Schritt hatte gravierende Folgen: Zum einen sind Di Maio 60 Fünf-Sterne-Parlamentarier gefolgt, was dazu führte, dass die Bewegung nicht mehr die stärkste Fraktion im Parlament ist. Diesen Platz nimmt nun die nationalpopulistische Lega Matteo Salvinis ein.
Zum anderen verschärfen sich die Flügelkämpfe unter den Fünf-Sternen. Einer der zwei Flügel drängt auf einen Austritt aus der Koalition mit der Begründung, dies würde der Bewegung mehr Freiheit gewähren und im Hinblick auf die Parlamentswahlen im Frühling vielleicht einen Teil der einstigen Wähler zurückbringen.
Und dann ist da noch Lega-Chef Matteo Salvini, der die Gunst der Stunde nutzen will. Um sich zu profilieren, wird er dem Premier alle erdenklichen Stolpersteine in den Weg stellen.
Wie lange Draghi das Spiel mitspielen kann, wird man sehen. Für Donnerstag Abend hat Draghi eine Pressekonferenz angesetzt.
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