Von Julia Lehmann
Wenn Donald Trump heute seine ihm sonst treu ergebene Lieblings-Boulevard-Zeitung New York Post zur Hand nimmt, wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten mit einiger Wahrscheinlichkeit die Faust in der Tasche ballen.
Im Online-Chat der Postille tauchten am Samstagabend noch während der großen Militärparade aus Anlass des 250-jährigen Bestehens der US-Armee in Washington Sätze auf, die für Trump wie unfriendly Sperrfeuer gewirkt haben dürften. „Wo sind all die Leute?” – „Das ist eine nationale Peinlichkeit” – „Ich habe mehr Zuschauer bei einer Kindergarten-Parade gesehen” – „Was für ein epischer Reinfall!”.
Trumps Militärparade: „Das ist eine nationale Peinlichkeit”
Eine bekannte Trump-Gegnerin ätzte: „Einige der Panzer hier haben mehr Beifall bekommen, als sie 1944 Paris befreiten.” Dabei hatte alles standesgemäß angefangen. Geburtstagskind Trump, frisch 79 geworden, kam unter „U-S-A, U-S-A“-Rufen und 21 Kanonenschüssen auf die auf der Südseite des Weißen Hauses aufwändig installierte Ehrentribüne.
Das rund 45 Millionen Dollar teure Unterfangen, für das unter anderem Dutzende Panzer und fast 6.500 Soldaten eingeflogen wurden, begann wegen der widrigen Wettervorhersage eine halbe Stunde früher. Was aber nach Ansicht etlicher TV-Kommentatoren und Analysten im Internet immer noch „entschieden zu lang war”.
Militärparade zeigt Uniformen und Ausrüstung
Über weite Strecken glich die Parade einer sehr eindeutig für die Zweitverwertung im Fernsehen oder bei YouTube konzipierten Geschichtsstunde über die Armee, bei der zunächst Uniformen und Ausrüstung aus mehreren Epochen präsentiert wurden.
Tausende Soldaten mühten sich auf der zur Hochsicherheitszone abgesperrten Constitution Avenue um Gleichschritt. Die aktuelle militärische Stärke der Vereinigten Staaten blieb, bis auf einen Roboter-Hund, verborgen. Ebenso manches Fluggerät, das wegen des suppenartigen Himmels beim Überflug kaum zu sehen war. Oder wie etwa die F-22-Jets, die gar nicht erst starten durften.
Weil es entlang der Paradestrecke keine Lautsprecher gab, bekamen die weiträumig hinter Absperrgittern ferngehaltenen Zuschauer nichts mit von den Ansagen der Sprecher in der Nähe der Ehren-Tribüne. Als der Country-Sänger Warren Zeiders dem Präsidenten ein rockiges Geburtstagsständchen brachte, standen er und seine Band auf einem Podium vor Trump mit dem Rücken zum Volk.
Der Präsident, zu seiner Linken First Lady Melania Trump (stoisch), zur Rechten Verteidigungsminister Pete Hegseth (hibbelig), verfolgte das stromlinienförmig auf ihn zugeschnittene Geschehen hinter kugelsicherem Glas.
Ging die Kamera auf die erste Reihe, wirkte der Ehrengast zuweilen gelangweilt bis übellaunig. Was auch für andere galt; etwa Außenminister Marco Rubio, der beim Gähnen erwischt wurde. Oder die republikanische Senatorin Joni Ernst, einst selbst beim Militär gewesen, der fast ein Magenleiden ins Gesicht geschrieben stand.
Vance: „Bitten Sie, niemals in den Krieg zu ziehen.“
Vize-Präsident JD Vance ließ mit einer bemerkenswerten Aussage an die Adresse der Soldaten von sich hören: „Ich möchte Ihnen sagen, wie wir Sie ehren und respektieren: Erstens bitten wir Sie niemals, in den Krieg zu ziehen, es sei denn, es ist absolut notwendig. Zweitens geben wir Ihnen, wenn wir Sie bitten, in den Krieg zu ziehen, die Waffen und die Unterstützung, die Sie brauchen, um den Feind zu besiegen und sicher nach Hause zurückzukehren.”
Als Donald Trump nach über zwei Stunden Programm ans Pult trat („Alle anderen Länder feiern ihre Siege, es ist an der Zeit, das Amerika das auch tut“) und eine der kürzesten Reden seiner vor zehn Jahren gestarteten politischen Laufbahn hielt, hatte es viele Besucher, sichtlich ausgelaugt von Temperaturen um die 30 Grad und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit, bereits zu den Ausgängen gezogen. „Ich habe seit Mittag angestanden, ich kann einfach nicht mehr”, sagte stellvertretend für manche der Küstenwache-Veteran David Belg. Aber: „Es war großartig. Ich bin stolz auf mein Land.“
Schuld war das Wetter?
War das Wetter der Grund dafür, dass trotz aller patriotischen Beschwörung nie frenetischer Beifall aufkam? Zwei Details stachen hervor: Die Zahl von 200.000 erwarteten Besuchern wurde bei weitem unterschritten. Das abgesperrte Gelände auf der „Mall” in Sichtweite des Kapitols und des Obelisken blieb ausgesprochen übersichtlich besetzt. Dazu war die Stimmung latent energiearm, ja sogar lustlos. Trumpianer, zu erkennen an den Maga-Utensilien an Leib und Kopf, waren in der Mehrzahl. Dabei hätte man gemessen am Anlass Tausende Army-Käppis und T-Shirts erwarten dürfen.
Dass es im Vorfeld hitzige Debatten über das Für und Wider einer solchen Veranstaltung gab, die mit dem Geburtstag des Präsidenten zusammenfiel, war für viele Besucher zweitrangig. „Ich bin stolz darauf, hier mit meinen Söhnen sein zu können und die Armee zu feiern”, sagt Tiffany Powler aus Missouri.
„Wir haben nie Partys für die Armee“
„Wir haben nie Partys für die Armee”, schloss sich John Will aus Pennsylvania an, der selbst bei der Marine in Lohn und Brot steht, „es war überfällig”. Der junge Ethan schließlich, 23 Jahre alt, drei Jahre in der Armee gewesen, pochte darauf, „dass die Politik heute draußen bleibt”. Der Afroamerikaner sah mit staunenden Augen gen Himmel, als Apache-Kampfhubschrauber, Black Hawks und Chinooks über das Festgelände knatterten. „Wow, dieser Sound!”.
Tatsächlich war das als Highlight des Jahres konzipierte Unterfangen überschattet von Gewalt und Zwietracht. Bevor Trump auf der Tribüne Platz nahm, versammelten sich Millionen Amerikaner in allen Teilen des Landes, um unter dem Motto „No King” gegen seine Amtsführung zu protestieren. Zudem hatte am Morgen ein republikanischer Abtreibungsgegner, Schwulenhasser und Trump-Wähler in Minnesota zwei prominente demokratische Politiker erschossen. Der Tatverdächtige war noch auf der Flucht, als Trumps Lieblings-Barde Lee Greenwood live „God Bless the U.S.A.“ intonierte und ein großes Feuerwerk den Abend beschloss.
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