Dieser Schlüssel-Termin könnte auch nächste Woche stattfinden. Er setzt voraus, dass Trump vollauf kooperiert. Würde er sich weigern, müsste formal der Gouverneur des Bundesstaates Florida, wo Trump lebt, die Überstellung Trumps nach New York veranlassen.
Das wäre pikant. Ron DeSantis ist der zurzeit stärkste Rivale Trumps im Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2024.
Da Trumps Anwälte aber vorab erklärt haben, dass sich der Ex-Präsident den Behörden stellen wird, wird diesem Szenario kaum Bedeutung beigemessen. Unmittelbar vor der Anklage-Verlesung müsste Trump, um der sonst üblichen Verhaftung zu entgehen, persönlich im Justizgebäude erscheinen, seine Personalien aufnehmen lassen, Fingerabdrücke abgeben und für die offiziellen „Mug-Shots” (Kartei-Fotos) in die Kamera gucken.
"Kein Zirkus"
All das würde ohne Blitzlichtgewitter und Handschellen über die Bühne gehen. Die Justiz, heißt es, „will keinen Zirkus”. Was Trump will, weiß man nicht. Gegenüber Vertrauten soll er Sympathie für die Vorstellung bekundet haben, vor den Augen der Welt-Öffentlichkeit mit breiter Brust ins Gefecht gegen eine „korrupte Justiz” zu ziehen.
Vor dem Richter haben die Anwälte Trumps, dem vorher das Recht zu schweigen erklärt wird, beim „Arraignment” die Gelegenheit, ihren Mandanten auf unschuldig plädieren zu lassen.
Weil keine Fluchtgefahr besteht (Trump ist Präsidentschaftskandidat für 2024) und bei den in Rede stehenden Delikten keine Menschen zu Schaden kamen, müsste Trump bis zum Prozessbeginn nach dem Gesetz keine Kaution hinterlegen. Er käme unmittelbar nach dem offiziellen Akt frei.
Protestaufrufe
Bis dahin ist wegen der Prominenz des Angeklagten-in-spe und der durch Trump durch einen Aufruf an seiner Anhänger heraufbeschworenen Gefahr von gewalttätigen öffentlichen Protesten hinter den Kulissen viel Kleinarbeit zu erledigen.
Spätestens ab Donnerstag würde das Team von Staatsanwalt Bragg Kontakt mit Trumps Anwälten und dem rund um die Uhr für den Personenschutz des Ex-Präsidenten verantwortlichen Secret Service aufnehmen.
Zu klären ist: Wann muss Trump, vermutlich aus seinem Florida-Domizil Mar-a-Lago, mit dem Flugzeug nach New York kommen? Welche Route wird der Sicherheitskonvoi in die Stadt nehmen? Wann wird der Secret Service einen Sicherheits-Check des weitläufigen Justiz-Gebäudes durchführen, das Trump aufsuchen muss? Wie wird das alles mit der New Yorker Polizei koordiniert?
Wichtig: Die offizielle Anklage bedeutet nicht automatisch sofort einen öffentlichen Prozess. Vor allem die Trump-Seite wird versuchen, eine Gerichtsverhandlung herauszuzögern.
So hat sie es gerade in einem anderen, ebenfalls in New York verhandelten Fall versucht, den die Staatsanwältin Letitia James leitet. Dabei geht es um massive Betrugsvorwürfe im dreistelligen Millionen-Dollar-Volumen gegen Trump, seine ältesten drei Kinder Donald Jr., Eric und Ivanka, die im Konzern des Immobilien-Unternehmers beschäftigt sind oder waren, und den zurzeit inhaftierten früheren Finanz-Chef Allen Weisselberg. Am Dienstag entschied der zuständige Richter Arthur Engoron, dass der Prozess am 2. Oktober dieses Jahres in New York beginnt.
Wahl-Beeinflussung
Noch drastischer geht Trumps Verteidiger-Team im Bundesstaat Georgia vor. Dort steht eine Anklage wegen nachträglicher Beeinflussung der Präsidentschafts-Wahl von 2020 zur Debatte.Trump hatte persönlich den obersten Wahlbeamten Brett Raffensperger gedrängt, nachträglich rund 12 000 Stimmen aufzutreiben, um Joe Biden den Sieg zu nehmen.
Jetzt verlangten Trumps Verteidiger die Abberufung von Staatsanwältin Fani Willis und die Auflösung einer Geschworenen-Jury, die seit Monaten mit den Details darüber vertraut gemacht wurde, wie Trump die Demokratie aushebeln wollte. Trumps Ansinnen wird in Justiz-Kreisen in Atlanta „null Erfolgschancen” eingeräumt.
Während Trump im Fall Schweigegeld bisher noch auf den Beistand der republikanischen Parteispitzen zählen kann, die Staatsanwalt Bragg als „korrupten” Juristen verunglimpfen, der einen aktuellen Präsidentschaftsbewerber ausschalten wolle, geben aktuelle Umfragen im Volk Trump nur bedingt Schützenhilfe.
Nur eine verschwindende Minderheit der Amerikaner (8 Prozent) hält laut Reuters/Ipsos Trumps Beteuerung für glaubhaft, er habe überhaupt keine Affäre mit Stormy Daniels gehabt. 70 Prozent der Befragten halten es für realistisch, dass vor der Präsidentschaftswahl 2016 Geld an die Porno-Darstellerin geflossen ist, um Trumps außereheliches Kurzabenteuer nicht öffentlich werden zu lassen.
Auch aussagekräftig: Die Hälfte der Amerikaner hält die juristische Zuspitzung des seit mindestens fünf Jahren bekannten Falls für politisch motiviert.
Noch aussagekräftiger: 44 % der republikanischen Wähler plädieren dafür, dass Trump seine Präsidentschaftskandidatur zurückzieht, wenn er offiziell in die Mühlen der Justiz geraten sollte. Genau das hatte der 76-Jährige vor Kurzem ausgeschlossen. Er hat dabei die Verfassung auf seiner Seite. Ein strafrechtliche Anklage ist formal kein Hinderungsgrund auf dem Weg ins Weiße Haus.
Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels stand, die Jury hätte am Mittwoch zu beraten begonnen - am Nachmittag wurde bekannt, dass das Startdatum verschoben wurde.
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