Ein heikler Interessenkonflikt droht die höchste juristische Instanz der USA zu beschädigen: Die Frau von Clarence Thomas, seit 31 Jahren einer der neun Juristen am Obersten Gerichtshof, wollte den Wahlsieg von Joe Biden kippen. Ihr Mann steht nun vor Rücktrittsforderungen.
Virginia Thomas hat unmittelbar nach der Wahl 2020 den Stabschefs von Präsident Donald Trump, Mark Meadows, mehrfach bedrängt, alles zu unternehmen, um Trump im Amt zu halten. SMS-Botschaften belegen das. "Mark, helfen Sie diesem großartigen Präsidenten, standzuhalten … Die Mehrheit weiß, dass Biden und die Linke den größten Raubzug unserer Geschichte versuchen", schrieb die 65-Jährige kurz nach der Wahl.
Neutralität nicht gesichert?
Thomas ist als rechtsextreme Aktivistin mit Wurzeln in der republikanischen Tea Party-Bewegung bekannt. Dass sie mit ihrer Intervention das Prinzip der Neutralität von Ehepartnern oberster Richter mit Füßen tritt, ist aber nicht das Hauptproblem. Clarence Thomas, ihr Mann, war der einzige im 9er-Kollegium, der unlängst dagegen stimmte, dass der Kongress interne Unterlagen Trumps aus dem National-Archiv einsehen kann.
Im US-Parlament arbeitet ein Untersuchungsausschuss den versuchten Staatsstreich vom 6. Jänner 2021 auf. Damals stürmten Trump-Anhänger nach einer aufhetzenden Rede des Ex-Präsidenten das Kapitol in Washington. Sie wollten die Beglaubigung des Wahlsieges von Biden verhindern und Top-Politiker töten. Es gab sechs Tote und Hunderte Verletzte. Mehr als 700 Aufrührer sind angeklagt.
Selbst Trump ging auf Distanz
Virginia Thomas, genannt "Ginni", war bei der Rede Trumps am 6. Jänner dabei. Vor den Ausschreitungen bekundete sie ihre "Liebe" zu Trumps "Make America Great Again"-Anhängern. Frau Thomas sieht Amerika im Würgegriff einer "faschistischen Linken". Die hochgewachsene Juristin aus Nebraska arbeitet mit Trump-Steigbügelhaltern wie Steve Bannon, Charlie Kirk und Sebastian Gorka zusammen, war aber dabei so extrem, dass selbst Trump auf Distanz ging. Nach einer Audienz im Weißen Haus nannte er die Richter-Gattin vor Vertrauten "durchgeknallt".
Weil Frau Thomas sich in vielen Streitthemen wie etwa Abtreibung engagiert, die vor dem Supreme Court und damit vor ihrem Mann landen, wurden schon früher Rufe laut, der 73-Jährige möge sich für befangen erklären, um die Integrität des Gerichts nicht zu gefährden. Thomas weigerte sich.
Ginni Thomas pflegt mit ihrem Mann weltanschaulich eine symbiotische Verbindung. Nach Bekanntwerden der durchgängig im Verschwörerton gehaltenen Text-Mitteilungen zwischen Thomas und Meadows wird von unabhängigen Bürgerrechtlern und ersten Parlamentariern die Forderung erhoben, Clarence Thomas müsse zurücktreten oder des Amtes enthoben werden. Begründung: Er stehe ideologisch unter dem Einfluss seiner Frau.
Als der Supreme Court vor einem Jahr sämtliche Betrugsvorwürfe gegen die Wahl 2020 zurückwies, kritisierte Clarence Thomas, dass sich die anderen acht Richterinnen und Richter nicht mit den Argumenten Trumps auseinandersetzen wollten. Zu den Vorwürfen gegen seine Frau hat Clarence Thomas bisher nicht Stellung genommen. Er lag bis Freitag offiziell mit Grippe-Symptomen im Krankenhaus.
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