Kommt in Deutschland die Wehrpflicht wieder?

Vereidigungszeremonie für neue Rekruten der Bundeswehr in Berlin.
Die Bundeswehr soll um ein Drittel wachsen – Geld dafür ist da, nur Personal nicht. Ein Ausweg ist die Wiedereinführung der Zwangsrekrutierung, doch das sorgt für Streit.

Es gibt Sätze, die altern äußerst schlecht. „Eine sicherheitspolitische Notwendigkeit für die allgemeine Wehrpflicht ist nicht mehr gegeben“ ist so einer – er stammt von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), einst deutscher Verteidigungsminister. Er begründete im Jahr 2011 damit die Aussetzung der Wehrpflicht, unter großem Applaus seiner Union.

14 Jahre später ist die Welt eine völlig andere, nicht nur wegen Putins Krieg gegen die Ukraine, sondern auch durch die volatile politische Führung der USA. Darum geistert jetzt in Deutschland die Idee herum, die eingemottete Wehrpflicht wiederzubeleben: Von Kanzler Friedrich Merz (CDU) abwärts fordern immer mehr Politiker, junge Menschen wieder zum Dienst an der Waffe zu verpflichten – selbst Guttenberg ist nun wieder dafür.

Personalstand sinkt

Grund dafür ist, dass der Truppe schlicht das Personal fehlt, um die Aufgaben der nächsten Jahre zu stemmen. Das Modell Freiwilligkeit, auf das die Politik die letzten Jahre gesetzt hat, hat nämlich nicht besonders gut funktioniert: Zwar haben alle Verteidigungsminister massiv in Werbekampagnen investiert, um junge Menschen für das Berufssoldatentum zu begeistern, dennoch wurde die Truppe nicht nur immer älter, sondern auch die Personalzahlen sanken seit Jahren konstant. Waren nach der Aussetzung der Wehrpflicht noch 212.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, sind es heuer etwa 30.000 weniger.

Diese Lücke will man nicht nur schließen, die Bundeswehr soll sogar um etwa ein Drittel wachsen. Kanzler Merz hat sich zum Ziel gesetzt, die Truppe zur „konventionell stärksten Armee Europas“ zu machen, dafür nimmt Berlin ja auch die Rekordsumme von 850 Milliarden Euro an Krediten in die Hand. Je nach Einschätzung braucht es 80.000 Soldaten zur Aufstockung, um die Aufrüstung der kommenden Jahre zu stemmen – das von Donald Trump verordnete Fünf-Prozent-Ziel der NATO.

Vorbild Schweden

Um die hohe Latte zu erreichen, hatte die Regierung eigentlich auf das sogenannte „Schwedische Modell“ gesetzt. Dabei werden alle Männer und Frauen, die 18 Jahre alt werden, kontaktiert – gemustert und eingezogen wird dann aber nur auf freiwilliger Basis.

Der Union, der das Modell schon im Wahlkampf nicht weit genug ging, will es nun aber kurz nach Beschluss wieder ausweiten. Geht es nach dem Kanzleramt, soll die Wehrpflicht sogar noch vor der Sommerpause durch das Parlament reaktiviert werden; 2011 hatte man sie ja nur ausgesetzt, eine Wiedereinführung benötigt nur eine einfache Mehrheit.

Ob der kleine Partner der Union da mitzieht, ist aber nicht ausgemacht. Im Wahlkampf gab die SPD unter dem damaligen Kanzler Olaf Scholz sich als Partei der Pazifisten, und auch jetzt stellen sich die Jusos, die Parteijugend und Parteigranden wie Fraktionschef Matthias Miersch und Generalsekretär Tim Klüssendorf lautstark gegen die Idee. Nur Verteidigungsminister Boris Pistorius, nach wie vor der beliebteste Politiker Deutschlands und eine gewichtige Stimme in der Partei, ist offen dafür.

Er hat darum einen Vorschlag zur Güte gemacht: Im neuen Gesetz soll die Zwangsrekrutierung nur eine Möglichkeit sein – die Wehrpflicht soll nur dann automatisch reaktiviert wird, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden. Nur: Wie viel „genügend“ ist, ist noch Verhandlungssache, und da wird der linke Block der SPD ein Wörtchen mitreden wollen.

Die Jungen wollen nicht

Gegenwind wird die Regierung wohl auch aus der Bevölkerung bekommen. Denn laut Umfragen befürwortet zwar eine Mehrheit der Deutschen die Wiederbelebung der Wehrpflicht, insgesamt 54 Prozent sind laut einer YouGov-Umfrage dafür – die Mehrheit davon ist sogar für eine Einführung des Pflichtdiensts für Männer wie Frauen.

Allerdings gibt es dabei ein massives Altersgefälle, und das ist wohl der persönlichen Betroffenheit geschuldet. Bei den über 70-Jährigen, der Nachkriegsgeneration, sind zwei Drittel für den Diensts an der Waffe. Bei den Befragten zwischen 18 und 29 ist es nur jeder Dritte – das sind auch jene, die tatsächlich eingezogen würden.

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