Nehammer begrüßt deutsche Abschiebungen nach Afghanistan

PK ÖVP "SCHWERPUNKTE IM BEREICH FAMILIE": NEHAMMER
Abschiebungen auch aus Österreich seien laut Kanzler der "nächste Schritt". Kickl lobt derweil Deutschland und kritisiert die ÖVP.

Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren hat Deutschland wieder afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland abgeschoben. Nach Angaben von Innenministerin Nancy Faeser handelte es sich um 28 Straftäter. Alle Betroffenen sind Männer, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

Das sächsische Innenministerium teilte mit, die Maschine sei am Morgen vom Flughafen Leipzig/Halle abgehoben. Zuvor hatte der Spiegel berichtet. Nach dpa-Informationen sollen die verurteilten Straftäter vor einer möglichen Abschiebung einen Großteil ihrer Strafe hierzulande abgesessen haben.

Keine diplomatischen Beziehungen zu Taliban

Deutschland unterhält zu den Taliban-Machthabern in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und auch Syrien wieder zu ermöglichen.

„Es ist ein klares Zeichen: Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen, sondern wir werden versuchen, das zu tun, wie man in diesem Fall sieht“, sagte der SPD-Politiker bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig. Die Abschiebungen seien sorgfältig vorbereitet worden. Ein solches Vorhaben gelinge nur, „wenn man sich da Mühe gibt, wenn man es sorgfältig und sehr diskret macht“.

Der Abschiebeflug startete zwar wenige Tage nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten tödlichen Messerattentat von Solingen, hat aber einen deutlich längeren Vorlauf, wie es aus Behördenkreisen hieß. Der Spiegel schrieb von zwei Monaten.

Abschiebungen nach Syrien?

Das Vorgehen könnte nun auch eine Blaupause für künftige Abschiebungen nach Afghanistan und möglicherweise auch Syrien sein. Die Bundesregierung prüft Möglichkeiten zur Abschiebung in diese Länder seit Monaten. Dabei sollen auch Nachbarstaaten wie Usbekistan eine Rolle spielen.

Insbesondere die Grünen und auch ihre Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich bislang skeptisch gezeigt bei Abschiebungen nach Afghanistan und davor gewarnt, die islamistische Taliban-Regierung indirekt anzuerkennen.

Grünen-Co-Chef Omid Nouripour betonte erneut: „Dieser Flug darf nicht zu einer Legitimation der Taliban führen“. Abschiebungen in das Land „im großen Stil“ sieht er auch weiter skeptisch. „Dafür bräuchte es eine direkte staatliche Zusammenarbeit, die mit den Steinzeit-Islamisten der Taliban nicht möglich ist“, so der Grünen-Politiker. Gleichzeitig sei stets klar gewesen, „dass es technische Möglichkeiten geben kann, in wenigen Fällen Menschen nach Afghanistan zu fliegen“, sagte Nouripour.

Nehammer: "Wir sind froh, dass wir jetzt Verbündete sind"

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist zufrieden mit den direkten Abschiebungen von Deutschland nach Afghanistan. Österreich sei in dieser Frage gut mit dem Nachbarland abgestimmt, sagte er am Freitag bei einer Pressekonferenz. Man schiebe bereits Afghanen ab, so Nehammer. Der „nächste Schritt“ sei nun, sie auch direkt nach Afghanistan zu bringen. Mit dem dortigen Taliban-Regime sei es „ein Stück weit kompliziert“. Man müsse daher „Umwege suchen“

Auch die Rücküberstellung von Geflüchteten aus Deutschland in Nachbarstaaten gemäß der Dublin-Verordnung begrüßte Nehammer. Viele der nun umgesetzten Dinge "gibt es in Österreich schon". Es habe lange gebraucht in Deutschland, entscheidend seien aber die jetzigen Fortschritte. Nehammer: "Wir sind froh, dass wir jetzt Verbündete sind."

Wohlwollend äußerte sich am Freitag auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zur deutschen Entscheidung. Es handle sich um eine "sehr gute", wenn auch "nicht überraschende Nachricht", sagte er am Rande eines Pressetermins in Mödling auf APA-Nachfrage. Man stehe in dieser Sache seit Monaten in engem Austausch mit den deutschen Behörden. Nun komme "endlich Bewegung in die Sache", so Karner. Ziel sei, dass Deutschland und Österreich gemeinsam Abschiebungen Richtung Afghanistan mit regionalen Partnern wieder durchführen.

Kickl: Nehammer und Karner "reden nur von Abschiebungen nach Afghanistan, kommen aber nicht in die Umsetzung"

Zustimmung zum Vorgehen Deutschlands kam auch von FPÖ-Chef Herbert Kickl: "Das Abheben der Abschiebeflieger nach Afghanistan ist auch bei uns schon längst überfällig und wird von der Bevölkerung erwartet", erklärte er in einer Aussendung. Bei der ÖVP vermisste Kickl hingegen "jegliche Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit", sie sperre sich in Wahrheit gegen Abschiebungen. Nehammer und Karner "reden nur von Abschiebungen nach Afghanistan, kommen aber nicht in die Umsetzung", befand der Freiheitliche.

Im "Ö1-Mittagsjournal" wunderte sich der NEOS-Abgeordnete Nikolaus Scherak darüber, "dass Karner nicht längst Informationen aus Deutschland eingeholt hat". Wenn die Bundesrepublik nach Afghanistan abschieben könne, "müsste das auch in Österreich umsetzbar sein", meinte Scherak. SPÖ und Grüne betonten, Abschiebungen sollten dann durchgeführt werden, wenn sie rechtlich möglich sind.

Genau das bezweifeln aber die Grünen im Fall von Afghanistan. Denn es bräuchte dafür "Rückführungsabkommen auf Augenhöhe", und das sei mit "den Steinzeit-Islamisten der Taliban nicht möglich", hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Man stehe aber Wegen wie jenem, den die deutsche Bundesregierung gewählt hat, "offen gegenüber". Insbesondere dann wenn die Einzelfälle überprüft werden. Ob das auch in Österreich rechtskonform und praktisch möglich ist, müsse das Innenministerium prüfen.

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