Vučić bezeichnet Demonstranten als "Terroristen"

Zusammenfassung
- Regierungskritische Demonstranten griffen in Belgrad die Zentrale der Fortschrittspartei mit Steinen und Blendgranaten an und wurden von der Polizei zurückgedrängt.
- Die seit November andauernden Proteste gegen Korruption und die Regierung eskalierten zuletzt mehrfach in Gewalt und führten zu Festnahmen und Verletzten.
- Auslöser der Proteste war der tödliche Einsturz des Bahnhofsvordachs in Novi Sad, woraufhin sich die Demonstrationen zunehmend gegen die Regierung richteten.
Im Zuge der seit einigen Tagen in Gewalt ausartenden Proteste in Serbien haben regierungskritische Demonstranten am Montagabend erneut Büros der regierenden Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Aleksandar Vučić angegriffen.
In Belgrad wurden Demonstranten, die Steine und Blendgranaten auf die Parteizentrale warfen, von der Bereitschaftspolizei zurückgedrängt, wie ein AFP-Fotograf beobachtete.
"Land von Terror und Übel befreien"
Aleksandar Vučić wollte sich ein Bild der im Zuge der Demonstrationen entstandenen Schäden machen. In derselben Nacht schaute er sich die zerstörten Räumlichkeiten an. Während seines Rundgangs griff Vučić nach einer heruntergefallenen Glasscherbe. Ein Sicherheitsmann reagierte schnell und fing die Scherbe auf. Dabei fügte sich der Präsident allerdings eine Schnittwunde zu. Warum er nach der Scherbe gegriffen hatte, ist unklar. Der Clip mit Vučić ging jedenfalls viral.
Zu den Protesten sagte er, das Land werde von "Terror und Übel" befreit werden. "Wir werden viel stärker, viel schneller und viel energischer vorgehen. Wir werden niemanden von außen um Erlaubnis fragen", so Vučić.
Kritik von Schieder
Andreas Schieder, SPÖ-EU-Delegationsleiter, kritisiert, dass die Demonstranten von der Bereitschaftspolizei zurückgedrängt werden. In Vučićs Vorgehen ortet er eine "beispiellose Gewalteskalation aus staatlicher Hand".
Serbiens Präsident diffamiere die Demonstrierenden pauschal als Kriminelle und drohe der eigenen Bevölkerung, so der SPÖ-EU-Politiker weiter. "Diese Einschüchterungen aus Angst vor dem eigenen Machtverlust dürfen aber nicht die Worte eines demokratischen Staatsoberhaupts mit Ambitionen auf einen EU-Beitritt sein."
Die Regierung wehre sich mit Gewalt gegen einen von der Bevölkerung gewünschten Machtwechsel. Auch seitens der EU-Kommission müsse die "falsche Zurückhaltung" durchbrochen werden, forderte Schieder
Tausende Menschen auf der Straße
Die seit November anhaltenden und bisher weitgehend friedlich verlaufenen Anti-Regierungs-Proteste in Serbien waren im Laufe der vergangenen Woche zunehmend gewalttätig geworden. Es kam mehrfach zu Zusammenstößen zwischen gegen Korruption und die Regierung protestierenden Demonstranten und Anhängern der Regierung von Vučić.
Proteste gab es unter anderem in Belgrad, Novi Sad und Valjevo. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen und es gab Verletzte. Nach einem weitgehend ruhigen Sonntagabend gingen am Montag erneut Tausende Menschen auf die Straße.
Seit Monaten Proteste
In Serbien gibt es seit Monaten regelmäßig heftige Proteste gegen die Regierung und die im Land herrschende Korruption. Auslöser war der Einsturz des Bahnhofsvordachs in der Stadt Novi Sad am 1. November 2024, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen. Der Hauptbahnhof war erst im Juli 2024 nach dreijährigen Renovierungsarbeiten wieder voll in Betrieb gegangen.
Bei den durch das Unglück ausgelösten Protesten ging es zunächst um die Ursachen des Einsturzes, später richteten sich die vor allem von Studierenden getragenen Kundgebungen gegen die Regierung und die weit verbreitete Korruption im Land.
An der bisher größten Demonstration beteiligten sich Mitte März rund 300.000 Menschen. Zuletzt wurden regierungskritische Demonstranten immer wieder von teils vermummten Regierungsanhängern attackiert.
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