EU-Gipfel will Hilfe bündeln und Firmen vor Übernahmen schützen

EU-Gipfel will Hilfe bündeln und Firmen vor Übernahmen schützen
Ansonsten herrscht unter den Mitgliedstaaten wenig Einigkeit vor dem Videogipfel heute ab 16.00 Uhr.

Die 27 EU-Staaten wollen in ihrem Videogipfel heute ab 16.00 Uhr über ein einheitliches Vorgehen bei Grenzschließungen, der gemeinsamen Beschaffung von Schutzausrüstung sowie Maßnahmen zur wirtschaftlichen und finanziellen Abfederung der Krise reden. Zudem soll es darum gehen, wie angeschlagene Firmen vor der Übernahme aus Drittstaaten geschützt werden können.

Dies geht aus dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Entwurf für die Erklärung des EU-Gipfels hervor. Entscheidungen über die von neun EU-Ländern geforderten sogenannten Corona-Bonds, also gemeinschaftliche Anleihen, werden nach Angaben von EU-Diplomaten nicht erwartet.

Kritische Infrastruktur schützen

Der EU-Gipfel soll laut Entwurfstext unterstreichen, dass die EU-Staaten vor allem Firmen im Gesundheitsbereich, der Infrastruktur und andere als strategisch erachtete Unternehmen vor Übernahmen schützen sollen. Auf EU-Ebene gilt ab Ende des Jahres eine verschärfte Prüfregel für die Übernahme von Firmen. Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten aber in einer Mitteilung informiert, dass sie diese Regeln schon jetzt anwenden sollen.

Die vom Coronavirus besonders betroffenen Staaten Italien und Spanien dringen zudem auf rasche Hilfe ihrer EU-Partner. Auch osteuropäische Länder fordern mehr Unterstützung, vor allem bei der Beschaffung von Schutzausrüstung, um die es derzeit auf den internationalen Märkten ein heftiges Ringen gibt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte vor dem Europäischen Parlament an, dass die Kommission dies nun gemeinsam für 25 Staaten organisiere. "Aus diesem Grund legen wir nun das erste europäische Vorratslager für medizinische Geräte wie Beatmungsgeräte, Masken und Laborbedarf an." Man habe für Testkits, Beatmungsgeräte und Schutzausrüstung mehrere gemeinsame Ausschreibungen mit den Mitgliedstaaten eingeleitet.

Sonst wenig Einigkeit

Strittig dürften auf dem EU-Gipfel nationale Maßnahmen zur Grenzschließung werden, sagte ein EU-Diplomat. So hat Tschechien auch den Pendlerverkehr nach Deutschland untersagt. Deutschland wiederum hat ein Einreiseverbot für Saisonarbeiter aus Osteuropa verhängt. Belgien poche darauf, dass der Pendlerverkehr in der EU weiter erlaubt sein müsse, heißt es.

Streit könne es auch um die Instrumente gegen die gravierenden wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Corona-Krise geben, hieß es. Unter anderem Deutschland lehnte die von neun EU-Staaten geforderten gemeinsamen Staatsanleihen von Euro-Ländern - sogenannte Euro-Bonds oder Corona-Bonds - ab.

"Die Notwendigkeit, solche neuen Instrumente zu erfinden, gibt es im Augenblick nicht", sagte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz der "Rheinischen Post" (Donnerstagausgabe). Er verwies auf mögliche Hilfen der Europäischen Investitionsbank und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). ESM-Hilfen sind aber bisher mit Auflagen versehen. Die Niederlande hielten den Einsatz des ESM für verfrüht.

ÖVP bei "Corona-Bonds" uneins

Und auch Österreich hat sich im Vorfeld des EU-Video-Gipfels gegen die Einführung von "Corona-Bonds" ausgesprochen. "Eine generelle Vergemeinschaftung von Schulden lehnen wir ab", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Wien.

Dies sei ein "altes System", das sich bereits in der Vergangenheit nicht durchgesetzt habe. Kurz befürwortete, dass schnell allen geholfen werde, die dies benötigten. Der Euro-Rettungsschirm (ESM) gehört ihm zufolge zu den "sehr guten Instrumenten" dafür.

Der Vizepräsident des EU-Parlaments und ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas betonte dessen ungeachtet in einer Videoschaltung vor Journalisten, dass die Zusammenarbeit in der EU gestärkt werden müsse. Das globale Coronavirus könne nicht mit dem "Hochziehen nationaler Grenzen" bekämpft werden. Die Schaffung von "Corona-Bonds" unterstütze Karas.

Ein EU-Diplomat widersprach der Erwartungshaltung, dass auf dem EU-Gipfel Entscheidungen über Bonds fallen. "Es wird nur eine Diskussion geben, die Meinungsverschiedenheiten sind zu groß", sagte er. Ein anderer EU-Diplomat verwies darauf, dass die neun EU-Staaten nicht einmal eine Mehrheit in der Eurozone für ihre Forderung hätten. Stattdessen mahnte er, dass es auf dem EU-Gipfel vor allem darum gehe, Einheit in der Corona-Krise und Handlungsfähigkeit zu beweisen. "Die Regierungschefs werden sich auf Themen konzentrieren, in denen sie Konsens herstellen können, und nicht auf spaltende Themen wie Eurobonds."

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