Chaos vor Tankstellen: Frankreich kämpft mit Sprit-Knappheit
Präsident Macron hat einen Tankrabatt eingeführt. Der führt zu Hamsterkäufen. Dazu kommen Streiks in den Raffinerien.
09.10.22, 17:27
aus Paris Simone Weiler
Der junge Mann am Steuer eines Kleinlasters hat vorgesorgt: Auf dem Beifahrersitz neben ihm liegt ein roter Benzinkanister. Noch ist er leer, doch sein Auto steht in der Warteschlange vor einer Tankstelle in Paris, die ihre Preise wie gewohnt anzeigt. Das bedeutet, dass sie als eine der wenigen noch Kraftstoff verkauft. "Ich bin schon mehrere Tankstellen abgefahren, die aber alle geschlossen waren", erzählt er. "Als Lieferfahrer bin ich viel unterwegs und muss mich für die nächsten Tage absichern."
Vor und hinter ihm warten Taxis, mobile Krankenpfleger, aber auch Privatpersonen, die in den vergangenen Tagen zunehmend nervös wurden: Etliche französische Tankstellen sind geschlossen, vor anderen bilden sich lange Schlangen, die teils den Straßenverkehr behindern. Weil die Mitarbeiter von mehreren Raffinerien und Tanklagern des französischen Ölkonzerns TotalEnergies seit fast zwei Wochen streiken, wird in manchen Gebieten Frankreichs der Kraftstoff knapp.
Bis Ende vergangener Woche waren laut Regierungssprecher Olivier Véran zwölf Prozent der 11.000 Tankstellen des Landes zumindest vorübergehend geschlossen oder ihnen war entweder Diesel oder Benzin ausgegangen.
Besonders angespannt war die Situation in der Hauptstadtregion, der Gegend um Marseille und im Nordosten in der Region Hauts-de-France. Teils verboten die zuständigen Präfekten, mitgebrachte Benzinkanister aufzufüllen, und riefen die Menschen dazu auf, "Bürgersinn und Solidarität unter Beweis zu stellen".
Gewerkschaft fordert
Die größte Raffinerie des Landes in der Normandie, aus der mehr als ein Fünftel des in Frankreich verbrauchten Kraftstoffs stammt, ist besonders stark von den Arbeitsniederlegungen betroffen. Die Gewerkschaft CGT fordert Gehaltserhöhungen von zehn Prozent, mehr Einstellungen und einen "massiven Investitionsplan" von TotalEnergies, weil der Konzern in der aktuellen Krise Rekordgewinne erziele. Zur angespannten Lage führten darüber hinaus Hamster- und Panikkäufe, wie ein Sprecher des Energieunternehmens erklärt: "Die Situation in unseren Tankstellen liegt hauptsächlich am erhöhten Konsum der Kunden in Verbindung mit den Preissenkungen." Der Zulauf sei um 30 Prozent angestiegen.
TotalEnergies gewährt seit Anfang September bis Ende Oktober einen Rabatt von 20 Cent pro getanktem Liter – zusätzlich zum Nachlass in Höhe von 30 Cent pro Liter durch die Regierung. Ab November wird dieser auf zehn Cent gesenkt, ab 1. Januar gibt es dann keine staatlichen Hilfen mehr. Zwar sollten diese in erster Linie die Kaufkraft der Menschen in Frankreich stützen, doch in den Grenzgebieten profitieren auch die Bewohner anderer Länder, wie Francis Pousse von der Berufsgenossenschaft Mobilians sagt: "Unsere europäischen Nachbarn tanken bei uns voll." Er warnt davor, von einer Unterversorgung oder einem Mangel zu sprechen, da es weiter Kraftstofflieferungen gebe: "Die Versorgung wird durch Importe und eine Umorganisation der Lieferflüsse gewährleistet." Die "logistische Maschine" in Gang zu bringen, brauche ein paar Tage Zeit.
Beschwichtigende Worte
Auch die Regierung bemüht sich um Beschwichtigung. Es gebe keinen Mangel, sondern nur "zeitweise Engpässe". Um diese zu lösen, habe der Staat bereits Teile der strategischen Reserven freigegeben. Mit der Entscheidung des Ölkartells OPEC+, die tägliche Ölfördermenge zu drosseln, dürfte die Situation in Frankreich demnach wenig zu tun haben. Der Energieriese TotalEnergies versicherte, dauerhaft gebe es kein Risiko eines Mangels an Benzin und Diesel. "Aber das hängt auch vom Verhalten der Leute ab."
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