Laptop und Rosenkranz: Der "Cyber-Apostel" Carlo Acutis

„Carlo sagt uns, dass der Heilige in Wirklichkeit neben uns lebt, ins Internet geht, mit dem Computer spielt und mit Freunden lacht.“ Das ist die Botschaft, welche die katholische Kirche mit der Heiligsprechung des als „Cyber-Apostel“ bekannt gewordenen Carlo Acutis (1991–2006) am kommenden Sonntag aussenden möchte. Der Satz stammt vom Franziskanerpater Marco Gaballo, dem Rektor der Basilika Santa Maria Maggiore in Assisi, wo Acutis in einem mit Glasfront ausgestatten Sarg ruht.
Die Heiligsprechung Acutis’ – ursprünglich für den 27. April angesetzt, dann wegen des Todes von Papst Franziskus auf 7. September verschoben – ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Acutis ist der erste Millennial, der zur Ehre der Altäre erhoben wird. Und er passt auch so gar nicht ins gängige, klischeehafte Bild von Heiligen. Kein geistlicher Würdenträger im prächtigen Ornat, kein Mönch und keine Nonne, sondern ein Teenager, der da in Jeans, Sweater und Sneakers in seinem Sarg liegt: Nicht umsonst gingen diese Bilder um die Welt – dergleichen hatte man zuvor noch nie gesehen.
Role model
Dann noch das jugendliche Alter: Acutis starb mit 15 Jahren an Leukämie. Auch wenn auch andere spätere Heilige sehr jung verstarben (Therese von Lisieux etwa mit 24 Jahren, 1897), so verleiht ein so früher Tod der Person zusätzlich etwas „Mystisches“. Und natürlich ist auch das, wofür Acutis kanonisiert wird, ein absolutes Novum: dass er eben – Stichwort „Cyber-Apostel“ – seine Internetaffinität in den Dienst der Kirche stellte und sich als Influencer im Sinne des Evangeliums betätigte. Laptop und Rosenkranz, sozusagen, um einen alten CSU-Slogan zu paraphrasieren.
Damit ist Acutis zweifellos ein Role model für eine junge Generation von Katholikinnen und Katholiken, welche sich selbst keineswegs als rückwärtsgewandt verstehen, aus einer tiefen Spiritualität heraus versuchen ihr Leben zu gestalten, aber mit den überkommenen innerkirchlichen Debatten der Nachkonzilsgeneration (Stichwort „heiße Eisen“ wie Frauenpriestertum, Zölibat etc.) nichts mehr anfangen können und wollen.

Auch die Devotionalienhändler setzen auf den neuen Heiligen.
Eucharistische Wunder
Gleichzeitig mit Acutis wird am Sonntag ein anderer, ebenfalls jung verstorbener Italiener heiliggesprochen, der ungefähr hundert Jahre früher gelebt hat: Pier Giorgio Frassati (1901–1925). Der „Sozialapostel“ aus Turin engagierte sich als Student für Arme und Ausgegrenzte, war Mitglied der katholischen Volkspartei und starb an Poliomyelitis (Kinderlähmung), nachdem er sich beim Besuch einer erkrankten Familie angesteckt hatte.
Auch Frassati gilt der Kirche als Beispiel einer zeitgemäßen Heiligkeit, die gleichsam mitten im Leben entsteht und wirksam wird. Was letztlich dem genuinen Verständnis eines gelungenen, geglückten Lebens im Sinne der kirchlichen Lehre entspricht, gleichwohl aber im Laufe der Jahrhunderte durch Legendenbildungen und Überhöhungen zum Teil verstellt wurde.
Im Falle von Acutis wurde indes auch Kritik an seiner Heiligsprechung laut. Sie bezieht sich auf eine Sammlung von sogenannten „eucharistischen Wundern“, welche der Jugendliche erstellt hat. Dabei geht es um unerklärliche Erscheinungen an den eucharistischen Gestalten (Brot und Wein) in früheren Jahrhunderten, etwa die Umwandlung in Fleisch und/oder Blut. Im Hintergrund steht die kirchliche Lehre, wonach Brot (Hostien) und Wein in der Liturgie zu Fleisch und Blut Jesu Christi werden. Allerdings wurden solche eucharistischen Wunder – etwa blutende Hostien – oftmals auch als Folge eines „Hostienfrevels“ oder einer „Hostienschändung“ gedeutet, welche Juden zur Last gelegt wurden. Mithin also eines der verheerenden christlichen antijüdischen Narrative wie beispielsweise auch die „Ritualmordlegenden“.
Freilich ist nicht anzunehmen, dass sich ein maximal 15-Jähriger dieser Problematik bewusst war, geschweige denn, dass er selbst eine antijüdische/-semitische Agenda mit seiner Sammlung verfolgte. Darauf wies zuletzt etwa der Jesuit Christian Rutishauser auf dem tendenziell linkskatholischen Portal feinschwarz.net hin, der freilich auch hinzufügt: „Dennoch ist es die Aufgabe der Kirche, die Gläubigen aufzuklären und ihnen den historischen Kontext dieser Wundergeschichten bewusst zu machen.“
Apropos Wunder: Heilig- wie zwingend vorangegangene Seligsprechungen unterliegen einem streng formalisierten Verfahren. Dazu zählt auch die Beglaubigung eines Wunders, das sich auf Fürsprache des künftigen Seligen/Heiligen ereignet hat (außer für Märtyrer im Falle der Selig-, nicht aber der Heiligsprechung).
Das Herz kommt nach Rom
Bei Acutis wurde für seine Seligsprechung (2020) die Heilung eines brasilianischen Buben von einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung anerkannt. Für die nun anstehende Heiligsprechung besteht das Wunder in der Genesung einer jungen Frau aus Costa Rica, die sich bei einem Fahrradunfall in Florenz schwere Kopfverletzungen zugezogen hatte.
Beide Wunder waren noch unter Papst Franziskus bestätigt worden. Die Heiligsprechung selbst nimmt nun Papst Leo XIV. vor. Acutis’ sterbliche Überreste werden nicht nach Rom gebracht, sein Herz allerdings – das auch in Assisi separat bestattet ist – wird in einem Gefäß vor dem Petersdom stehen.
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