Deutschland streitet wieder über den "Bubatz"

Cannabis-Liberalisierung in Deutschland - Berlin
Nach einem politischen Kulturkampf darf man seit 2024 legal kiffen. Die „Bubatz“-Reform hat aber weder den Schwarzmarkt eliminiert noch zu einer Cannabis-Schwemme geführt – darum wird jetzt munter weiter gezankt.

Der Clip ging Anfang des Jahres viral. „Bleibt Bubatz legal?“, fragt die ARD-Reporterin Friedrich Merz, damals noch Oppositionschef und Kanzleranwärter. Der schaut kurz irritiert und fragt: „Was ist Bubatz?“

Im Frühling 2024 hat Deutschland Cannabis legalisiert, Konsum und Anbau wurden von Merz’ Vorgängern der Ampelregierung unter gewissen Bedingungen straffrei gestellt. Der „Bubatz“, wie der Joint in der Jugendsprache heißt, war schon davor in aller Munde: Die Politik verstrickte sich wegen der Ampel-Pläne in einen regelrechten Kulturkampf: Während die Ampel eine Austrocknung des Schwarzmarkts und zusätzliche Steuereinnahmen versprach, fürchtete die Union eine Konsumexplosion und eine gesamtgesellschaftliche Verrohung – und versprach die Abschaffung.

Maue Bilanz

Eingetreten ist von all dem eineinhalb Jahre später nichts. Merz hat das Gesetz nicht abgeschafft, und in der ersten Bilanz, die eine Forschergruppe nun zum Cannabisgesetz vorgelegt hat, werden weder Befürchtungen bestätigt noch Hoffnungen erfüllt. Der Schwarzmarkt sei kaum eingedämmt worden, heißt es in der 200-Seiten-Evaluierung, zeitgleich hätten die „Social Clubs“ – also die Vereinigungen, in denen Private ihre Gras zum Eigengebrauch anbauen können – kaum Gewicht. Lediglich 0,1 Prozent des Gesamtbedarfs von geschätzt 742 Tonnen Cannabis kämen von dort, das ist eine komplett irrelevante Größe.

Dass das an bewussten Hürden liegt, die manche Bundesländer den Kiffer-Vereinen aufbürden, steht allerdings auch im Bericht. Nur 222 Vereine haben im Laufe der letzten eineinhalb Jahre eine Genehmigung erhalten, das ist bei 803 Millionen Einwohnern nicht gerade viel – in anderen Ländern wie etwa Kanada ist die Dichte bei ähnlichen Bedingungen deutlich höher. Wenig überraschend sind die meisten davon in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu finden – die zwei Bundesländer grenzen an die Niederlande, wo Kiffen schon lange erlaubt ist.

Bayern boykottiert

Vor allem das CSU-geführte Bayern hat schon während der Debatte über das Gesetz einen Hehl daraus gemacht, dass man das Gesetz unterminieren werde, wo immer es geht. Getan hat Markus Söders Landesregierung etwa, indem justament dort Spielplätze gebaut wurden, wo Social Clubs ihre Grow-Räume einquartieren wollten. Rund um Schulen, Kindergärten und eben Spielplätze schreibt das Gesetz Verbotszonen vor.

Aber auch in anderen Bundesländern ist es nicht allzu einfach, Gras anzupflanzen. „Bei uns mussten die Vereinschefs hunderten Seiten an die Behörden übergeben, bevor sie loslegen durften“, erzählt Isidor, Mitglied eines Cannabis-Anbauvereins in Brandenburg; zehn Vereine gibt es dort. Er selbst hat ebenso wie die etwa 400 anderen Mitglieder 250 Euro „Kredit“ an den Verein vergeben, mit dem wurden die Räumlichkeiten errichtet – unter strengsten Auflagen: „Jeder Raum muss abgesiegelt sein, nur ausgewählte Personen dürfen hinein – und das in spezieller Schutzkleidung. Dazu braucht es Luftschleusen“, sagt er. Mitgliederzuwachs hätte sein Verein seit dem Start vor einem Jahr praktisch kaum.

Deutlich florierender sei das Geschäft der Apotheken-Start-Ups, die medizinisches Cannabis vermitteln – auch das erlaubt das neue Gesetz. Wer es vom Arzt verschrieben bekommt, kriegt sein Gras direkt an die Haustür geliefert, und das binnen Stunden. Bis zu 14 Prozent des Cannabiskonsums sei durch diese Form gedeckt, heißt es in dem neuen Bericht.

Online-Missbrauch

Dieses Geschäft gedenkt die Union nun auch einzuschränken. CDU-Gesundheitsministerin Nina Warken sind vor allem die Onlinesprechstunden ein Dorn im Auge, über die man medizinisches Gras beziehen kann; eine Erbe ihres SPD-Vorgängers Karl Lauterbach. Der Verbrauch von medizinisch genutztem Gras habe sich dadurch verdreifacht, und die meisten Patienten würden das nicht von der Kasse finanziert bekommen – das weise auf Missbrauch hin, so ihr Argument. Warkens Plan: Ein Rezept dürfe nur mehr nach einem Arztgespräch verschrieben werden – und zwar in der Arztpraxis.

Der Streit um das Gras geht damit in die Verlängerung, denn dass die SPD die Rückabwicklung mitträgt, ist unwahrscheinlich. Aber zumindest Friedrich Merz weiß nun, womit er es beim „Bubatz“ zu tun hat.

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