Verbot der rechtsextremen NPD in Deutschland gescheitert
Die rechtsextreme NPD wird in Deutschland nicht verboten. Das hat das deutsche Bundesverfassungsgericht entschieden. Es wies mit seinem Urteil vom Dienstag den Verbotsantrag der Länder im Bundesrat ab.
Die NPD verfolge zwar "verfassungsfeindliche Ziele", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. "Es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt."
Kritiker eines neuen Verbotsversuchs hatten von Anfang an vor den großen Risiken gewarnt. Denn die verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot sind in Deutschland hoch, und die NPD hatte zuletzt an politischer Bedeutung eingebüßt.
Im September 2016 mussten die Rechtsextremen bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ihre deutschlandweit letzten Landtags-Mandate abgeben. Seither ist die NPD nur noch auf kommunaler Ebene und mit einem Abgeordneten im Europaparlament vertreten.
Es ist bereits das zweite Mal, dass der Versuch, in Karlsruhe gegen die NPD vorzugehen, mit einem Misserfolg endet. Ein erstes Verfahren war 2003 geplatzt, weil ans Licht kam, dass die Partei bis in die Spitze mit Informanten des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Deutsche Regierung und Bundestag, die das Verbot damals mit beantragt hatten, schlossen sich deshalb diesmal dem Bundesrat nicht an.
Einzig das Bundesverfassungsgericht ist in Deutschland befugt, ein Parteiverbot auszusprechen. Passiert ist das überhaupt erst zweimal, und das ist mehr als 60 Jahre her.
Urteilsbegründung
Die NPD vertritt nach Überzeugung des Bundesverfassungsgericht ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept. Sie wolle die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachte die Menschenwürde und sei mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Die NPD arbeite auch planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hin, so die Richter.
Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts können Sie hier nachlesen.
Die NPD erlebte in den 60er-Jahren eine erste Erfolgswelle. Der Partei gelang der Einzug in sieben der damals elf deutschen Landesparlamente. Bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte sie mit 4,3 Prozent nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Der Aufstieg war aber nur ein vorübergehendes Phänomen. In den 70er-Jahren verschwand die Partei weitgehend wieder von der Bildfläche und kam bei der Bundestagswahl von 2013 auf 1,3 Prozent.
WIEDERAUFSTIEG NACH DER WENDE
Einen Wiederaufstieg mit neuem Personal erlebte die NPD nach der deutschen Wiedervereinigung. Wurde sie in den 60er-Jahren noch von alten NSDAP-Anhängern getragen, konnte sie nun vor allem bei jenen Wählern in Ostdeutschland punkten, die sich als Verlierer der Wende sahen. 2009 zog sie in den Landtag von Sachsen ein, verfehlte aber 2014 nach heftigen internen Querelen den Wiedereinzug, während die rechtspopulistische AfD (Alternative für Deutschland) aus dem Stand fast zehn Prozent holte.
KEINE LANDTAGE UND MARGINAL IM EU-PARLAMENT
Inzwischen ist die NPD in keinem Landtag mehr vertreten. Ihre letzten Sitze verlor sie 2016 in Mecklenburg-Vorpommern, wo die AfD mehr als 20 Prozent holte. Bei der Europawahl im Jahr 2014 kam die NPD auf ein Prozent und ist mit einem Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten, nachdem das deutsche Verfassungsgericht Sperrklauseln von fünf Prozent und dann drei Prozent bei Europawahlen in Deutschland für unzulässig erklärte.
Nach monatelangen Debatten reicht die damalige rot-grüne Regierung einen Antrag auf Verbot der NPD beim deutschen Bundesverfassungsgericht ein. Am 30. März folgen auch Bundestag und Bundesrat mit eigenen Anträgen.
18. März 2003
Das deutsche Bundesverfassungsgericht stellt das Verfahren ein, ohne die Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD zu prüfen. Zuvor wurde bekannt, dass V-Leute des Verfassungsschutzes in der Führungsebene der NPD tätig waren.
9. Dezember 2011
Die Innenministerkonferenz der Länder beschließt, die Chancen eines neuen NPD-Verbotsantrags zu prüfen. Dem ging die Aufdeckung der rechtsextremen Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) voraus, was der nie verstummten Verbotsdebatte neue Nahrung gab.
5. Dezember 2012
Die Innenministerkonferenz der Länder plädiert für ein neues Verbotsverfahren. Einen Tag später folgt die Ministerpräsidentenkonferenz dieser Empfehlung.
14. Dezember 2012
Der Bundesrat beschließt mit großer Mehrheit, dass die Länderkammer in Karlsruhe einen neuen Antrag einreicht. Deutsche Regierung und Bundestag lassen zunächst offen, ob sie sich anschließen.
18. März 2013
Es wird bekannt, dass sich die deutsche Regierung nicht an einem neuen Verbotsantrag beteiligt. Die fünf Minister der FDP im Bundeskabinett lehnen einen solchen Schritt ab. Die FDP will die NPD politisch bekämpfen.
3. Dezember 2013
Der 268 Seiten starke Antrag trifft beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Er listet zahlreiche Zitate von Parteifunktionären auf, die belegen sollen, dass die NPD ideologisch auf einer Linie mit der NSDAP steht.
1. März 2016
Nach einer intensiven Vorprüfung und vom Gericht angeforderten weiteren Schriftsätzen beider Seiten beginnt die dreitägige mündliche Verhandlung am Zweiten Senat des Verfassungsgerichts. Zum Auftakt steht die Frage im Mittelpunkt, ob Bund und Länder rechtzeitig vor Antragstellung alle Spitzel in den Reihen der NPD-Führungsebene "abschalteten".
17. Jänner 2017
Das Verfassungsgericht lehnt ein Verbot der NPD ab. Ihre Gesinnung sei zwar verfassungsfeindlich, die Partei habe aber nicht das "Potenzial", die Demokratie in Deutschland zu beseitigen, heißt es zur Begründung. Ein Parteiverbot ist der Entscheidung zufolge kein Gesinnungsverbot.
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