Bulgarien: Wahlsieg für umstrittenen Ex-Premier - Krise geht weiter
Die bulgarische Parlamentswahl am Sonntag hat einen neuen Wahlsieger, aber kein Ende des politischen Patts im Balkanland gebracht. Die bürgerliche GERB des umstrittenen Ex-Premiers Bojko Borissow wurde Hochrechnungen zufolge mit 23,5 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, hat aber kaum Aussichten auf eine Regierungsmehrheit. Dasselbe gilt für die liberale Bewegung "Wir setzen den Wandel fort" (PP) des im Sommer gestürzten Premiers Kiril Petkow, die bei 19,5 Prozent landete.
Die im Juli zerbrochene liberal-sozialistische Vier-Parteien-Koalition wurde am Sonntag abgestraft. Mit Ausnahme des konservativen pro-europäischen Bündnisses "Demokratisches Bulgarien" (DB), das auf sieben Prozent der Wahlstimmen kommt, haben die übrigen drei Parteien deutliche Verluste verbucht. Die populistische Formation "Es gibt so ein Volk" (ITN) des Fernsehstars Slawi Trifonow, die den Sturz der letzten Reformregierung verursachte, scheiterte an der Vier-Prozent-Hürde. Besonders hart hat es auch die Sozialisten getroffen, die auf 8,9 Prozent und somit auf Platz fünf abgerutscht sind.
Mit 10 Prozent hat die populistische pro-russische Partei "Wazraschdane" (zu Deutsch: Wiedergeburt) ihr Wahlergebnis im Vergleich zu November 2021 verdoppelt und zieht als viertstärkste Kraft ins Parlament ein. Etwas überraschend ist, dass mit 4,7 Prozent die erst im Mai gegründete und offen moskaunahe Partei "Bulgarischer Aufschwung" ebenfalls im Parlament vertreten sein wird.
Wenige Reaktionen am Wahlabend
Ungewöhnlich wenige Politiker äußerten sich am Wahlabend zu den vorläufigen Ergebnissen. Selbst Wahlsieger GERB vertagte die Kommentare auf Montag. Die Sozialisten wollen sich erst nach Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses äußern. Der Ko-Vorsitzende des konservativen Wahlbündnisses "Demokratisches Bulgarien", Christo Iwanow, postete auf Facebook, ohne auf das Wahlergebnis konkret einzugehen, sein Bedauern über die niedrige Wahlbeteiligung von 35 Prozent. Er wünsche sich, dass die Wähler von DB nicht resignieren.
Kurz vor die Presse trat das Führungsduo der Wandel-Partei PP. "Wir erkennen die Wahlniederlage an und bestätigen, dass wir mit der GERB-Partei keine Koalition eingehen werden", sagte Ex-Ministerpräsident Petkow. In seiner ersten Reaktion nach der Wahl fiel die besorgte Äußerung des Co-Vorsitzenden und Ex-Finanzministers Assen Wassilew auf: "Obwohl wir die korrupte Regierungszeit von GERB entschieden verurteilen, wünschen wir dem Wahlsieger Erfolg in den anstehenden Koalitionsverhandlungen, denn Bulgarien braucht in der kommenden schwierigen Winterzeit eine stabile Regierung", sagte er am Abend in Sofia.
Mustafa Karadayi, Vorsitzender der Partei der türkischen Minderheit (DPS), sprach sich für mehr Kompromissbereitschaft aus und forderte alle Parteien im nächsten Parlament auf, auf die im Wahlkampf gezogenen roten Linien zu verzichten und ihre Entscheidungen im Namen der politischen Stabilität Bulgariens zu treffen. Die DPS konnte - offenbar auch unterstützt durch die niedrige Wahlbeteiligung - auf rund 15 Prozent zulegen und landete auf dem dritten Platz. Nach Einschätzung von Beobachtern führt bei der Suche nach einer Regierungsmehrheit kein Weg an der Minderheitenpartei vorbei.
Die prorussische "Wazraschdane" hat ihr Ergebnis verdoppelt, jedoch die erwartete Furore weit verfehlt. Parteichef Kostandin Kostadinow hatte im Wahlkampf die Anerkennung der von den russischen Besatzern inszenierten Scheinreferenden in der Ostukraine in Erwägung gezogen und offen für den Austritt Bulgariens aus der EU und NATO geworben. In der Wahlnacht sagte Kostadinow, er sehe keine Möglichkeit, als Koalitionspartner eingeladen zu werden, und wiederholte, dass seine Partei weiterhin gegen die Euro-Einführung und für den Abzug der NATO-Truppen aus Bulgarien sowie für die "Normalisierung" der Beziehungen zu Russland arbeiten werde. "Das bedeutet, dass wir gravierende Unterschiede mit allen anderen Parteien im nächsten Parlament haben."
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