18 Jahre später (Hartz IV trat am 1. Jänner 2005 in Kraft) will die Ampel-Koalition die umstrittene Grundsicherung mit dem sogenannten Bürgergeld ersetzen, "das die Würde des und der Einzelnen achtet und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigt", heißt es im Koalitionsvertrag. Die wesentlichste Änderung neben der Erhöhung der finanziellen Hilfe: die Anhebung des sogenannten "Schonvermögens", sprich jenes Vermögens, das trotz der Beziehung von Bürgergeld unangetastet bleibt, sowie mehr Weiterbildungsförderung.
Wieder "Schutzmacht der Kleinen"
Das Gesetz wurde in der Vorwoche vom Bundesrat abgewiesen – die Union kritisierte die "soziale Hängematte", die dadurch geschaffen würde. Bis Freitag wird es überarbeitet, dann soll nochmals abgestimmt werden. Politikwissenschafter und Gewerkschaften sind sich sicher, dass das Bürgergeld dann wie geplant Anfang Jänner in Kraft treten kann.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drängt dazu, sieht das Bürgergeld als Prestigeprojekt, um damit der SPD die "Position als Schutzmacht für die kleinen Leute zurückzuholen", urteilte unlängst die Süddeutsche Zeitung. Vergessen die Zeit, als Scholz als Generalsekretär neben Schröder am Parteitag für Hartz IV stimmte.
Doch ist es, angesichts der Rezession, die Deutschland 2023 droht (minus 0,2 Prozent laut Wirtschaftsweisen der Regierung), der Milliarden Euro, die die Ampel zur Krisenbekämpfung ausgegeben hat, und des Arbeitskräftemangels der richtige Zeitpunkt, Hartz IV durch ein Bürgergeld zu ersetzen?
Florian Moritz, DGB-Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik, bejaht gegenüber dem KURIER: "Wir befinden uns heute in einer anderen Lage als 2003. Wir haben einen stabilen Arbeitsmarkt, keine fünf Millionen Arbeitslose, ein Überangebot an Arbeitsplätzen und einen Fachkräftemangel." Weiterbildung und Förderung, wie sie das Bürgergeld vorsieht, seien zu begrüßen. Gleichzeitig brauche es eine Stabilisierung der Einkommen der unteren Einkommensgruppen – also jener Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind. Auch diese beinhalte das Bürgergeld.
Generell hält Moritz die aktuelle Krise für verkraftbar, wenn die Regierung weiter gegensteuert: "Die Politik hat aus den Krisen der letzten Jahre gelernt und mit Konjunkturprogrammen und Unterstützung schneller reagiert als bei der Finanzkrise 2009." Doch die Frage bleibt: Wer wird das finanzieren?
Demnächst Vermögenssteuer?
Mittlerweile haben sich sogar die Wirtschaftsweisen der Regierung, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, für eine temporäre Erhöhung des Spitzensteuersatzes ausgesprochen. Scholz selbst ist, ebenso wie in Sachen Vermögenssteuer, nicht abgeneigt. Noch eine Abgrenzung zur Ära Schröder.
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