Brexit: Kurz hofft auf geordneten Austritt mit Zollunion

Brexit: Kurz hofft auf geordneten Austritt mit Zollunion
Außenministerin Karin Kneissl betonte, dass die Briten einen Mehrwert liefern müssen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hofft beim andauernden Brexit-Chaos doch noch auf einen "geordneten Austritt" der Briten aus der EU. So könnte es beispielsweise eine Zollunion zwischen Großbritannien und der EU geben. Allerdings sei heute die Situation nach wie äußerst unklar, sagte Kurz am Montag zu Beginn des EU-Hauptausschusses im Parlament in Wien.

Bisher habe sich für keine der von der britischen Premierministerin Theresa May vorgeschlagenen Szenarien eine Mehrheit im Unterhaus gefunden, vor allem nicht für einen geordneten Austritt, sagte der Bundeskanzler, "Es bietet sich aber auch keine Mehrheit für einen hard brexit", sagte Kurz. "Wir erleben gerade eine gewisse Pattsituation". May versuche in den kommenden Stunden noch eine Mehrheit zu finden, doch sei dies alles andere als gewiss. Würde ihr das gelingen, wäre der EU-Sondergipfel am Mittwoch in Brüssel kein allzu schwieriger. Wenn es ihr aber nicht gelinge, werde die Lage wesentlich schwieriger, meinte der Bundeskanzler.

Drei Ziele

Generell sehe er die Einheit der EU-27 als oberstes Ziel beim Brexit. Das zweite Ziel sei die Vermeidung eines "Hard Brexit" und das dritte, dass die Briten nicht an den EU-Wahlen teilnehmen, weil dies absurd wäre, sagte Kurz am Montag beim EU-Hauptausschuss des Nationalrats. "Wenn es gelingt, die Einheit zu wahren, haben wir schon ganz viel geschafft. Wenn es nicht gelingt, importieren wir Chaos aus Großbritannien in die EU", warnte Kurz. "Viel wichtiger als das, was rauskommt, ist, dass alle Institutionen und die 27 damit leben können".

Wenn es gelinge, alle drei genannten Ziele zu erreichen, wäre dies "wunderschön", meinte der Bundeskanzler. Wenn nur das erste Ziel der Einheit erreicht werde, wäre dies deutlich schlechter, doch müsste man das zur Kenntnis nehmen. "Ich bin zumindest für Ziel eins recht optimistisch". Auch beim zweiten Ziel, der Vermeidung eines ungeregelten Austritts, "bin ich noch relativ optimistisch". Er werde heute Abend mit der britischen Premierministerin Theresa May nochmals reden, kündigte Kurz an.

Auf Fragen der Abgeordneten nach den jüngsten Vorschlägen in Richtung möglicher Fristverlängerung für die Briten sagte Kurz, er wolle sich daran nicht beteiligen. Er habe "sehr wohl mitverfolgt, wie sich (EU-Ratspräsident Donald) Tusk und andere zu Wort gemeldet haben, was man tun könnte, wenn doch keine Mehrheit im britischen Unterhaus" herauskomme. "Ob das die Verhandlungsposition der EU verbessert hat, wage ich zu bezweifeln", so der Kanzler. Er wolle auch nicht "unbedingt zelebrieren, was passieren könnte, wenn Labour und Tories sich auf nichts einigen können. Das macht es nicht unbedingt besser, das groß zu zelebrieren".

Auf die Frage nach einer allfälligen Verschiebung merkte Kurz generell an: Unter gewissen Bedingungen ja, aber grundsätzlich eher nicht.

"Entsprechende Anhaltspunkte"

EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) hofft indes , dass es beim Rat Allgemeine Angelegenheiten zum Brexit am morgigen Dienstag EU-Chefverhandler Michel Barnier "entsprechende Anhaltspunkte" geben könne. Auch für ihn sei das Grundprinzip, dass die "Einheit der EU-27 aufrechterhalten werden muss", wichtig. Darüber hinaus werde es auch um die Vorbereitungen für einen ungeregelten Brexit geben.

Gleichzeitig wurde in Luxemburg Außenministerin Karin Kneissl deutlich: Großbritannien müssen einen "Mehrwert" liefern, wenn es von der EU einen weiteren Brexit-Aufschub wolle, verlangte Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) "Der letzte Moment, zu dem wir etwas bekommen können, wäre Mittwoch zu Mittag", sagte sie vor einem EU-Außenministerrat. "Sollten die Briten mit einem Mehrwert an Verhandlungsmasse kommen, der die Zustimmung der 27 verbleibenden EU-Staaten findet, dann wird man eine weitere Verlängerung ansprechen, dann werden die Briten an einer Europawahl teilnahmen, und wir haben all die anderen Folgewirkungen", sagte Kneissl.

Die Außenministerin wollte nicht einschätzen, zu wie viel Prozent ein ungeordneter, harter Brexit noch wahrscheinlich sei. Dies sei "wie ein schwer lösbares Enigma", sagte Kneissl. "Wir haben eine demokratiepolitische Krise in Großbritannien", meinte die Außenministerin. Für die Wählerschaft in der EU sei dies auch "ein Trauerspiel". Sie wünsch sich eine "aktive Teilnahme" bei der Europawahl. "Wir dürfen nicht eine demokratiepolitische Müdigkeit riskieren."

Die derzeit geltende Brexit-Verlängerung bis 12. April sei nicht willkürlich gewählt worden, sondern erkläre sich aus der Logik der Europawahlen, sagte Kneissl. Bis zum Freitag müssten sich die teilnehmenden Personen in die Listen eintragen. "Welche britischen Politiker werden sich in die Listen eintragen?", fragte Kneissl. Ohne Europawahlen wäre vieles einfacher und man könnte über Friststreckungen über Jahresende hinaus nachdenken, so die Außenministerin.

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