Venezuela: Konzerte als Auftakt zum Kräftemessen

Auseinandersetzungen an der Grenze zu Brasilien
Guaidó will am Samstag Hilfslieferungen über die Grenze aus Kolumbien ins Land bringen lassen. In Brasilien wird beraten.

Das Kräftemessen der verfeindeten Lager Venezuelas wird seit Freitag an der Grenze zu Kolumbien ausgetragen. Tausende Anhänger des selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó besuchten im kolumbianischen Grenzort Cúcuta ein Konzert. An der nur 300 Meter entfernten Gegenveranstaltung von Staatschef Nicolás Maduro auf venezolanischer Seite nahmen zunächst deutlich weniger Menschen teil.

Hilfslieferungen aus den USA

Am Samstag will Guaidó dort gegen den Willen Maduros Hilfslieferungen aus den USA ins Land bringen lassen. Tausende Menschen schwenkten in Cúcuta venezolanische Flaggen und riefen "Freiheit" und "Die Regierung wird stürzen". Der in Spanien lebende venezolanische Sänger Carlos Baute sagte bei der Eröffnung des Konzerts, zu dem die Veranstalter 250.000 Menschen erwarteten: "Wir sind nicht nur hier, um einen humanitären Kanal zu eröffnen, sondern auch, weil wir morgen frei sein werden."

Branson organisierte Konzert

An dem vom britischen Milliardär Richard Branson organisierten sechsstündigen Konzert "Venezuela Aid Live" nahmen auch internationale Stars wie Alejandro Sanz und Miguel Bosé aus Spanien, Juanes aus Kolumbien und der durch den Hit "Despacito" bekannte Puertoricaner Luis Fonsi teil.

Aufruf von Kolumbiens Präsident

Zu dem Konzert Bransons wurden am Abend (Ortszeit) auch der kolumbianische Präsident Iván Duque und die Staatschefs von Chile und Paraguay, Sebastián Piñera und Mario Abdo, erwartet.

Duque rief das venezolanische Militär am Freitag auf, die Hilfslieferungen nicht zu verhindern. "Soldaten, stellt euch auf die richtige Seite der Geschichte", sagte der konservative Staatschef in Cúcuta. Die Hilfsgüter nicht passieren zu lassen, sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Auch der US-Sondergesandte für Venezuela, Elliott Abrams, kam mit einem weiteren Hilfsflug nach Cúcuta. Guaidó, der am Donnerstag mit einem Konvoi zur Abholung der ausländischen Hilfslieferungen in Caracas aufgebrochen war, wurde am Samstag erwartet.

Gegenveranstaltung von Maduro

Zu der von der venezolanischen Regierung organisierten dreitägigen Gegenveranstaltung unter dem Motto "Hände weg von Venezuela" versammelten sich in Urena unter einem starken Sicherheitsaufgebot zunächst nur wenige Menschen.

Zwischen den beiden Konzerten liegt die blockierte Tienditas-Grenzbrücke, über die nach dem Willen Guaidós am Samstag Hilfslieferungen ins Land kommen sollen, was Maduro vehement ablehnt. Er prangert sie als Vorwand an, unter dem eine militärische US-Invasion vorbereitet werden soll.

Russland auf Seiten Maduros

Auch das russische Außenministerium erklärte, für Samstag sei eine von der US-Regierung angeführte "gefährliche Provokation großen Ausmaßes" geplant. Die geplante Überquerung der venezolanischen Grenze durch einen "sogenannten humanitären Konvoi" sei in Wirklichkeit "ein bequemer Vorwand für einen Militäreinsatz". In Peking sagte der Sprecher des Außenministeriums, Geng Shuang, durch aufgezwungene Hilfslieferungen bestehe die Gefahr, dass es zu Gewalt komme.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres rief nach Angaben seines Sprechers alle Beteiligten zu Gewaltverzicht auf. Guterres sei sehr besorgt angesichts der angespannten Situation an der Grenze, sagte UNO-Sprecher Stéphane Dujarric.

Zwei Tote an Grenze zu Brasilien

Einer Menschenrechtsorganisation zufolge töteten venezolanische Soldaten an der Grenze zu Brasilien zwei Menschen und verletzten 15 weitere. Bei den Toten handle es sich um ein Ehepaar der indigenen Pemón-Gemeinde, erklärte die Gruppe Kapé Kapé. Die Menschen aus dem südöstlichen Bundesstaat Bolívar hätten versucht, die Truppen vom Blockieren humanitärer Hilfe aus Brasilien abzuhalten.

Beratungen in Brasilien

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat wegen der geplanten Hilfe für Venezuelas Bevölkerung noch für Freitagnachmittag (Ortszeit) mehrere Minister und Staatssekretäre zu einer Krisensitzung einberufen. Angesichts der angespannten Lage an der Grenze zwischen Brasilien und Venezuela wollten sich die Kabinettsmitglieder über Strategien und mögliche Situationen verständigen.

Dies sagte der Gouverneur des an das krisengeschüttelte Nachbarland grenzenden Bundesstaates Roraima, Antonio Denarium, der Mediengruppe Globo vor Beginn der Sitzung. Die Grenze zu Brasilien hatte Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolás Maduro am Donnerstagabend schließen lassen.

2,7 Millionen Menschen haben Land seit 2015 verlassen

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben seit 2015 insgesamt rund 2,7 Millionen Menschen Venezuela verlassen. Im Schnitt seien im vergangenen Jahr täglich 5.000 Menschen angesichts der wirtschaftlichen und politischen Krise aus dem südamerikanischen Land geflohen, teilten das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf mit. Die UNO schätzt die Zahl der Flüchtlinge aus Venezuela bis Ende des Jahres auf insgesamt 5,3 Millionen.

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