Verlieren die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit, bleiben aber im Senat die Nr. 1, wird das Regieren für Biden schwerer – aber nicht unmöglich. Gehen beide Kammern an die „Grand Old Party“, werden die verbleibenden zwei Jahre seiner Präsidentschaft vor allem auf dem Feld der Innenpolitik zur Qual. Die Konservativen würden sich als Abrissbirne betätigen und jede demokratische Initiative kaputtstimmen. Sie werden notfalls den Hebel des „government shutdown“ (Staatspleite) benutzen. Biden könnte draußen in der Welt noch ein paar Akzente setzen. Zuhause wäre er die berüchtigte „lahme Ente“ (lame duck).
Unpopulär
Seine ohnehin schmale Popularität (knapp 40 % Zustimmung) würde weiter sinken. Schon heute sind 56 % der Amerikaner unzufrieden damit, wie er seinen Job macht – trotz rekordverdächtig niedriger Arbeitslosenquote, gewaltiger Investitionen in Klimaschutz und in die marode Infrastruktur und satter Unternehmensgewinne. 80 Prozent sehen ihr Land generell auf dem falschen Weg – wegen der hohen Inflation, der Flüchtlingskrise an der Grenze zu Mexiko und einer bedenklich hohen Kriminalitätsrate.
Generationenwechsel
Bei einer krachenden Niederlage am Dienstag wird der parteiinterne Ruf an die Adresse Bidens lauter, endlich abzutreten und einen Generationenwechsel einzuleiten. Namen wie die des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom oder der Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, kämen ins Spiel für 2024. Auch der junge Transport-Minister Pete Buttigieg, die links-progressive Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die Senatorinnen Elizabeth Warren und Amy Klobuchar sowie die Gouverneure J. B. Pritzker (Illinois) und Phil Murphy (New Jersey), der bis 2013 US-Botschafter in Berlin war, wären als potenzielle Kandidaten/-innen für die nächste Präsidentschaftswahl in der Losung.
Vizepräsidentin Kamala Harris werden kaum mehr Chancen eingeräumt, selbst wenn Biden sich für sie starkmachen würde. Zu farblos. Aber: Niemand der Genannten könnte wie Biden behaupten: „Ich habe Donald Trump einmal geschlagen, ich könnte es wieder schaffen.“
Donald Trump Kandidatur in Sicht
Obwohl Ex-Staatschef Donald Trump offiziell aus dem Geschäft ist, fährt er eine beispiellose Schatten-Präsidentschaft. Ungeachtet strafrechtlicher Ermittlungen tingelt er wie ein rachsüchtiger Privatier durchs Land, lockt Zehntausende zu Kundgebungen, sammelt Spenden in dreistelliger Millionenhöhe und grätscht mit dem Stehsatz in die Tagespolitik, Amerika könne nur unter seiner Führung genesen.
Personal-Vorstand
Nebenbei ist er inoffizieller Personal-Vorstand der Partei. Dutzende Kandidaten für den Kongress und für Top-Posten in den Bundesstaaten tragen sein Gütesiegel. Darunter sind Quereinsteiger wie ein Ex-Football-Spieler oder ein TV-Arzt. Wichtigster Punkt im Anforderungsprofil: Sie müssen sich Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl 2020 zu eigen machen.
Schaffen es diese Trumpianer, werden seine Position als Königsmacher der „Grand Old Party“ und sein zweifelhaftes Demokratie-Verständnis gefestigt. Ihm die Kandidatur für 2024 streitig zu machen, würde schwer. Es sei denn, in einem der vielen Verfahren gegen Trump wird Anklage erhoben.
Plötzlich Klotz am Bein
Können die Demokraten ihre knappen Kongress-Mehrheiten halten, würden allerdings die Messer gewetzt. Trump wäre plötzlich Klotz am Bein der Partei. Der von Trump „scheinheilig“ genannte Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, würde sich als „Trump ohne Drama-Queen-Allüren“ empfehlen.
Auch Kristi Noem, Gouverneurin von South Dakota mit Drang nach Höherem, und Kari Lake, die zur Gouverneurin von Arizona gewählt werden könnte, würden dann mit einer Kandidatur liebäugeln. Ähnliche Motive haben Senator Ted Cruz, Ex-Vizepräsident Mike Pence oder Ex-Außenminister Mike Pompeo.
Vom Wähler "vermöbelt"
Zu den Wortführern der Trump-Gegner würde sich Mitch McConnell aufschwingen. Der altgediente politische Drahtzieher und Trump hassen einander bis auf Blut.
Ein Debakel bei den „midterms“ muss aber nicht automatisch das Ende Bidens bedeuten. Zwei Demokraten – Bill Clinton und Barack Obama – wurden 1994 und 2010 vom Wähler „vermöbelt“ (O-Ton Obama) – und wurden zwei Jahre später wieder Präsident.
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