Bei Eritrea-Festival im deutschen Gießen kam es zu Ausschreitungen
Gewalt, verletzte Polizisten und Sachbeschädigungen - zu Beginn des umstrittenen Eritrea-Festivals ist es am Samstag in der deutschen Großstadt Gießen zu den von Polizei und Stadt befürchteten Ausschreitungen gekommen. "Die Kollegen wurden massiv angegriffen, Steinwürfe, Flaschenwürfe, Rauchbomben", sagte ein Polizeisprecher. 22 Einsatzkräfte seien unter anderem durch Steinwürfe verletzt worden.
Der Polizeisprecher sah am frühen Nachmittag noch eine "sehr dynamischen Lage, die sich noch weiter entwickelt". Man rechne damit, dass weitere potenzielle Störer anreisen könnten. "Wir nehmen die Lage natürlich sehr, sehr ernst." Der Großeinsatz werde am Sonntag andauern. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit mehr als 1.000 Beamten vor Ort, Verstärkung wurde angefordert. Am späteren Nachmittag beruhigte sich die Lage wieder.
Seit dem frühen Morgen waren nach Polizeiangaben unterschiedlich starke Personengruppen in Gießen durch Ausschreitungen an verschiedenen Orten aufgefallen. Mindestens 60 Menschen wurden in Gewahrsam genommen, zuvor wurden etwa 50 Platzverweise erteilt. Ob auch Festivalbesucher verletzt wurden, war zunächst unklar.
Potenziell gewaltbereite Gegner
Die Polizei hatte sich seit Tagen auf eine Großlage in der hessischen Stadt und die Anreise potenziell gewaltbereiter Gegner der Veranstaltung eingestellt. Das Festival gilt wegen seiner Nähe zur Regierung des ostafrikanischen Landes als umstritten. Bereits im August vergangenen Jahres war es bei der Vorgänger-Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen mit verletzten Besuchern und Polizisten gekommen. Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland als Veranstalter rechnete am Samstag und Sonntag mit jeweils etwa 2.500 Besuchern.
Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) hat die Bundesregierung nach den Ausschreitungen beim umstrittenen Eritrea-Festival in Gießen aufgefordert, den Botschafter des ostafrikanischen Landes einzubestellen. "Der eritreischen Regierung muss deutlich gemacht werden, dass eritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen", sagte Beuth am Samstag in Wiesbaden. "Unsere Polizistinnen und Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten." Gegner der in Gießen angemeldeten eritreischen Veranstaltung hätten bereits im Vorfeld international zu Protest und auch zu gewaltsamem Vorgehen gegen diese Veranstaltung aufgerufen, sagte Beuth.
Die Stadt Gießen hatte das Festival zunächst wegen Sicherheitsbedenken verboten. Dies wurde vom Gießener Verwaltungsgericht gekippt. Am Freitag bestätigte der zuständige Verwaltungsgerichtshof des Landes Hessen diese erstinstanzliche Entscheidung.
Großaufgebot der Polizei
Nach Darstellung des Polizeisprechers handelt es sich bei dem Festival um "eine kulturelle Veranstaltung", die die eritreische Kultur und Traditionen feiere. "Es handelt sich um eine friedliche und familiäre Veranstaltung für Jedermann." Bereits im vergangenen Jahr waren jedoch Vorwürfe laut geworden, dort sollte Geld zur Unterstützung des Regimes gesammelt werden.
Der Sprecher sagte, es sei auch zum Einreißen von Absperrzäunen gekommen sowie zu Versuchen, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen. So habe eine Gruppe von vermutlich rund 100 bis 150 Personen einen Zaun an den Hessenhallen - dem Veranstaltungsort - eingerissen. Die Beamten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein, ein Wasserwerfer stand bereit. Rund 80 Personen wurden am Mittag von Polizisten festgehalten, es sollte geprüft werden, ob sie in Gewahrsam genommen werden. Es bestehe der Verdacht auf Körperverletzungsdelikte, Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung.
Aufgrund der dynamischen Lage seien zusätzlich zu den mehr als 1.000 Beamten, die bereits im Einsatz waren, weitere Polizisten nach Gießen gerufen worden, sagte der Polizeisprecher. Es gehe um mehrere Hundert weitere Polizisten "aus allen hessischen Polizeipräsidien, die zusätzlich nach Gießen kommen, um hier für die Sicherheit vor Ort zu sorgen". Mit Lautsprechertrupps werde versucht, auf Personen einzuwirken, die an Absperrungen aufträten und möglicherweise versuchen wollten, diese zu durchbrechen. Auch ein Polizeihubschrauber und eine Drohne waren im Einsatz.
Ein-Parteien-Diktatur
Eritrea mit seinen rund drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangem Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.
Zu Mittag begann eine Kundgebung gegen das Festival in der Gießener Innenstadt, zunächst waren keine Zwischenfälle bekannt. Je nach Einsatzlage sperrte die Polizei an unterschiedlichen Stellen in der Stadt Straßen. Am Neustädter Tor gab es der Polizei zufolge eine Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Beteiligten. Dort sei es auch zu Drohungen gegenüber Autofahrern gekommen. Von einer Brücke seien auch Gegenstände geworfen worden und Fahrzeuge beschädigt worden. Auch Mitarbeiter eines Geschäfts in der Nähe der Hessenhallen berichteten, dass Scheiben von vorbeifahrenden Autos eingeschlagen worden seien. Man habe auch Sorgen um die eigene Sicherheit gehabt, sagte eine der Beschäftigten.
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