Wutbauern revoltieren an der Urne gegen niederländische Regierung

Bauern auf den Barrikaden: Proteste in den Niederlanden
Seit Monaten ziehen Tausende niederländische Bauern immer wieder los. Setzten sich auf auf ihre Traktoren und blockieren Autobahnen und Lagerhallen, laden Misthaufen ab, protestieren laut und mit umgedrehten niederländischen Flaggen, steigen auf die Barrikaden. Am Mittwoch hat sich die enorme Wut der Landwirte bei den Regionalwahlen auch an den Urnen gezeigt:
Die neue BürgerBauerBewegung (BBB), die bisher in der zweiten Kammer des niederländischen Parlaments nur einen Sitz hatte, stieg über Nacht in einigen Regionen zur stärksten politischen Kraft im Land auf. BBB-Vorsitzende Caroline van der Plas jubelte: "Sie können uns nicht länger ignorieren. Wir werden mitregieren." Und sie stellen die traditionell zersplitterte niederländische Parteienlandschaft auf den Kopf.
Mitgezogen hat die "Gummistiefel-Fraktion" dabei auch viele andere Unzufriedene: Städtische Wutbürger und über den politischen Mainstream verärgerte Protest- und ehemalige Rechtswähler.
Gewählt wurden nicht nur die Parlamente der zwölf Provinzen, sondern auch indirekt die Erste Kammer des nationalen Parlaments, vergleichbar mit dem österreichischen Bundesrat. Die vier Koalitionsparteien kommen nach den Prognosen in der Ersten Kammer demnach nur noch auf knapp ein Drittel der insgesamt 75 Sitze.
Damit ist zweifelhaft, ob Mark Ruttes Regierung noch die geplanten Gesetze zur Reform der Landwirtschaft, Klimaschutz und Asylpolitik durchsetzen kann.
Höfe schließen
Denn genau diese wollen die empörten niederländischen Landwirte kippen: Tausende Bauern fürchten enteignet oder zwangsumgesiedelt zu werden, denn die Regierung gab das Ziel vor: Viele müssen aufgeben und ihre Höfe schließen - die niederländische Landwirtschaft verursacht extrem hohe Stickstoffbelastung. Die Hauptquelle von Stickstoff im Boden sind Kunstdünger und Gülle aus der Massentierhaltung.

Demonstrierende Bauern versammelten sich mit Traktoren bei einer Demo am 14. März 2023.
10.000 Betrieben will die Regierung den Ausstieg finanzieren, doch die die überwiegende Mehrheit der Bauern will davon nichts hören.
Die kleinen, dicht besiedelten Niederlande haben ein gewaltiges Umweltproblem: So groß, dass das höchste niederländische Verwaltungsgericht bereits 2019 urteilte: Bis 2030 müssen zwingend 55 Prozent der Treibhausgase (ausgehend vom Niveau 1990) verringert werden.
Dies führte bereits zu einem nationalen Tempolimit von 100 km/h auf den Autobahnen. Doch das reichte nicht, ohne eine massive Verringerung des Viehbestandes kann das Land seine Umweltziele nicht erreichen. Auf rund 35 Millionen Tiere - inklusive Hühner - wird der riesige Viehbestand im Land geschätzt. Ein Drittel davon, so die Vorgabe der Regierung, müsse runter.

Viele kleinere Landwirte haben das Ausstiegsangebot der Regierung bereits angenommen. Doch die Stückzahl der Schweine hat sich in den vergangenen zehn Jahren nur um rund eine Million auf nunmehr 10,8 Millionen Tiere verringert. Und in den niederländischen Megaställen, die meisten davon globale Agrarplayer, wurden die Schweine nicht weniger.
Zudem dürfte eine weitere, drohende Maßnahme der populistischen BauerBürgerBewegung die Wähler in die Arme getrieben haben: Um den Ausstoß von Stickstoff weiter zu senken, solle die Regierung hohe Sondersteuern auf Benzin, Flugreisen, aber auch Fleisch erlassen, empfahl eine von der Regierung beauftragte Studie.
Historisch ist der Sieg der BBB in der niederländischen Provinz Overijssel. Dort holt die Protestpartei mehr als ein Drittel aller Stimmen und damit 17 Sitze. Keine weitere Partei holt mehr als vier. In der traditionell weit aufgefächerten Parteienlandschaft des Landes ist das eine Sensation.
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