Sensation in Prag: Opposition holt Parlamentsmehrheit
Nichts wurde aus dem prognostizierten Wahlsieg für den tschechischen Milliardär und Premierminister Andrej Babis, ganz im Gegenteil. Seine liberal-populistische Partei ANO wurde abgestraft und rutschte mit gut 27 Prozent hinter das oppositionelle liberal-konservative Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam), bestehend aus der konservativen Demokratischen Bürgerpartei ODS, der christdemokratischen Volkspartei KDU-CSL und der bürgerlich-liberalen Gruppierung TOP 09, das auf knapp 28 Prozent kam.
Relativ stark schnitt auch das zweite Oppositionsbündnis – ein gewagter Mix aus den linksliberalen Piraten und der konservativen Bürgermeisterpartei STAN – ab. Es erhielt rund 15 Prozent Zustimmung.
Mandatsmehrheit
Laut Medien verliert Babis seine Mehrheit im tschechischen Parlament. Die beiden Oppositionsbündnisse kämen auf 108 der 200 Sitze.
Auch die rechtspopulistische und Islam-feindliche Partei Freiheit und direkte Demokratien schaffte es mit rund zehn Prozent in die Legislative. Sie fordert unter anderem ein Referendum zum EU-Austritt Tschechiens.
Noch schlimmer als Babis erging es seinem bisherigen Koalitionspartner: Die sozialdemokratische Partei dürfte an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sein. Damit verpasst sie ebenso wie die Kommunisten, die die Minderheitsregierung unterstützten, wohl den Einzug ins Parlament – erstmals seit der Wende 1989.
Machtpoker
Politische Beobachter waren sich am Samstag einig, dass die Regierungsbildung äußerst schwierig und zu einem Machtpoker wird. Dabei richten sich jetzt alle Augen auf den gesundheitlich angeschlagenen, eigenwilligen Präsidenten Milos Zeman, 77. Er hatte bereits vor der Wahl angekündigt, den Kandidaten der stärksten Partei und nicht des stärksten Bündnisses mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Zeman gilt als Verbündeter von Babis – und werde wohl diesen für Koalitionsverhandlungen nominieren, wie der Ehrenvorsitzende von TOP 09, Karel Schwarzenberg, noch am Samstag meinte.
Vor dem Urnengang waren die „Pandora Papers“ aufgetaucht. Diese legen nahe, dass der Premier in Geldwäsche und Steuerhinterziehung verwickelt sein könnte.
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