Aung San Suu Kyi: Aufstieg und Fall einer Freiheitsikone

Es war ein einsamer „runder“ Geburtstag, den die (einstige) Freiheitsikone Myanmars, Aung San Suu Kyi, diese Woche beging. Allein in ihrer Gefängniszelle, ohne Chance auf Besuch ihrer beiden Kinder oder anderer Verwandter bzw. Bekannter – lediglich ihre Anwälte bringen Abwechslung in die Einzelhaft – vollendete sie am Donnerstag ihr achtes Lebensjahrzehnt.
Wobei der Werdegang der zierliche Frau, der politisches Engagement schon in die Wiege gelegt wurde, einer Achterbahn gleicht. Mal bot sie der Militärjunta mutig die Stirn, mal schlug sie sich auf deren Seite – um letztlich doch in den Kerkern der Schergen zu landen.
Vater erschossen
Die heute 80-Jährige wurde am 19. Juni 1945 in Rangun (heute Yangon) geboren. Ihren Vater lernte sie bewusst nie kennen. Denn Aung San, der als Vater der Unabhängigkeit des Landes (von den Briten 1948) gilt, wurde ein Jahr davor bei einer Sitzung des Exekutivrates (eine Art Vorgänger eines regulären Kabinetts) mit anderen erschossen.
Aung San Suu Kyi wuchs bei ihrer Mutter auf, die später die erste weibliche Botschafterin ihres Heimatlandes in Indien wurde. Eine Wendung, die noch von großer Bedeutung in ihrem Leben haben sollte.
Auf dem Subkontinent ging sie zunächst auch zur Schule. Dann wechselte sie an die britische Elite-Uni Oxford und beendete dort 1967 ihre Studien in den Disziplinen Politik, Wirtschaft und Philosophie. Die ganze Welt stand ihr offen – sie ergriff die Chance und nahm einen Job bei den Vereinten Nationen in New York an.
Doch die Liebe zu ihrem langjährigen britischen Freund, dem Uni-Dozenten Michael Aris war größer. Nach der Heirat 1971 zog sie zurück nach England und bekam die beiden Söhne Alexander und Kim.
Rückkehr in die Heimat
Eine Lehrtätigkeit in London folgte, die Aung San Suu Kyi 1988 jäh abbrach, als ihre Mutter in Birma (die offizielle Umbenennung in Myanmar erfolgte erst ein Jahr später) schwer erkrankte. Sie zögerte nicht und kehrte umgehend in ihr Heimatland zurück.
Doch dort herrschte weiterhin eine brutale Militärjunta (de facto bereits seit 1962). Die damalige Mittvierzigerin nahm den Kampf für Demokratie an und auf. Dabei setzte sie auf das Prinzip der indischen Freiheitsikone Mahatma Gandhi – auf zivilen Ungehorsam und Gewaltlosigkeit. Diese Ideen hatten sie während ihrer Zeit auf dem Subkontinent stark beeinflusst.
Doch die Generäle der Diktatur versuchten, jeden Widerstand im Keim zu ersticken. Sie isolierten die stets ruhig, elegant und wortgewandt auftretende Frau und Mutter von ihren Anhängern: Zwischen 1989 und 2010 musste sie insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest verbringen. Brechen davon ließ sie sich nie, stets lehnte sie eine Deal mit der Junta ab.
Das brachte ihr globale Bewunderung, die laute Stimme der Demokratie wurde gerne in einem Atemzug mit Martin Luther King, Nelson Mandela oder eben auch mit Mahatma Gandhi genannt. Zahlreiche Auszeichnungen und Preis folgten und sollten ihren Kampf würdigen. 1991 erhielt Aung San Suu den Friedensnobelpreis. Dankesreden vor Ort konnte sie nie halten – sie saß ja in ihrem Arrest.

In dem asiatischen Land sind die Militärs de facto seit 1962 an der Macht
Doch 2010 öffnete sich endlich doch die Haustüre. Die damals bereits 65-Jährige, die im ganzen Land hohes Ansehen genoss, warf sich sofort in den demokratischen Prozess und gewann auch gleich Wahlen. Parallel dazu wurde sie von vielen Weltenlenkern empfangen: Vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama abwärts.
2015 schließlich der vorläufige Höhe-, aber auch (neuerliche) Wendepunkt im Leben von Aung San Suu Kyi: Sie errang mit ihrer NLD-Partei die absolute Mehrheit im Parlament Myanmars und avancierte zur De-facto-Regierungschefin.
Doch die versprochenen und vom Volk erhofften Reformen bleiben aus. Mehr noch, als das Militär, das hinter den Kulissen nach wie vor die Strippen zog, unfassbar brutal gegen die muslimische Minderheit der Rohingya vorging (viele sprachen von Völkermord), schwieg die einstige Freiheitsikone.
Von Genozid könne keine Rede sein, sagte sie 2019, die Armee verteidige bloß das Land gegen die Angriffe bewaffneter Rebellen. In Folge dessen wurden ihr einige Ehrungen von früher wieder aberkannt, nicht so der Friedensnobelpreis.

Aung San Suu Kyi geht nach wie vor vielen unter die Haut
Gedankt haben die Generäle Aung San Suu Kyis Loyalität nicht. Nach der Wahl 2020, bei der die NLD erneut die absolute Mehrheit errungen hatte, putschen die Streitkräfte und steckten die im Land immer noch als Freiheitsheldin Geltende nach Schauprozessen ins Gefängnis. Das letztgültige, rechtskräftige Urteil von 27 Jahren Haft bedeutet in diesem Fall wohl lebenslänglich.
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