Israels Parlament stimmte für Auflösung und vorgezogene Wahl

Regierungschef Netanyahu läuft die Zeit davon
Wegen gescheiterter Regierungsbildung kommt es in Israel zu Neuwahlen im September.

Politisches Chaos in Israel: Zum zweiten Mal binnen eines halben Jahres soll am 17. September ein neues Parlament gewählt werden. Nach dem Scheitern von Koalitionsverhandlungen stimmte die Knesset am Mittwochabend für ihre Auflösung und eine Neuwahl. Es war dem rechtskonservativen Regierungschef Benjamin Netanyahu nicht gelungen, in sechs Wochen eine notwendige Mehrheit zu bekommen.

Zum ersten Mal in der Geschichte Israels hat die Knesset sich nur einen Monat nach ihrer Vereidigung wieder aufgelöst. TV-Moderatoren sprachen von "politischem Massenselbstmord". 74 von 120 Abgeordneten stimmten für und 45 stimmten gegen den Antrag, einer war abwesend.

Taktischer Fehler Netanyahus

Israel hatte am 9. April vorzeitig sein Parlament gewählt. Netanyahus rechtskonservativer Likud erhielt 35 von 120 Sitzen, genau so viele wie das Oppositionsbündnis der Mitte von Ex-Militärchef Benny Gantz. Insgesamt hat das Lager rechter und religiöser Parteien eine Mehrheit. Jedoch stritten die möglichen Koalitionspartner des Likuds vor allem über ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Wehrdienst verpflichten soll.

Ein Mitglied von Netanyahus Likud-Partei hatte den Antrag auf Auflösung des Parlaments gestellt. Damit sollte verhindert werden, dass nach dem Scheitern der Verhandlungen wie sonst üblich Präsident Reuven Rivlin einen anderen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragt.

Netanyahu hatte bis zur letzten Minute an die Konfliktparteien appelliert, sich zu einigen - vor allem an den ultra-rechten Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman. Eine Neuwahl kostet nach Schätzung des Finanzministeriums umgerechnet rund 118 Millionen Euro.

Lieberman sagte jedoch, das Wehrpflicht-Gesetz habe Symbolcharakter, und er werde in dem Streit nicht nachgeben. Er warf dem Likud am Mittwochabend vor, vor den strengreligiösen Parteien kapituliert zu haben. Lieberman pocht darauf, dass sich strengreligiöse Juden stärker an den Kosten und Pflichten des Allgemeinwesens in Israel beteiligen.

Netanjahus Likud warf Lieberman am Mittwoch vor, er wolle den Regierungschef mit seiner Verweigerungshaltung politisch vernichten und sein Nachfolger werden. Lieberman gab dagegen an, er bestehe nur auf seine Prinzipien.

Ohne die fünf Sitze von Liebermans Partei Israel Beitenu hat Netanyahu keine Mehrheit. Auch seine strengreligiösen Koalitionspartner waren nicht zum Nachgeben bereit.

Likud entschied sich gegen Angebot

Wenige Stunden vor Ablauf der Frist für Netanyahu lehnte auch die Arbeitspartei ein Angebot des Likud zur Regierungsbeteiligung ab, wie sie selbst sagte. Sie hätten in der Nacht zuvor nochmals ein Angebot erhalten, dieses diskutiert und sich dagegen entschieden, schrieb der Vorsitzende Avi Gabai auf Twitter.

Die israelische Nachrichtenseite Maariv hatte Anfang der Woche berichtet, israelische Politikvertreter hätten sich mit der Bitte an die USA gewandt, US-Präsident Donald Trump möge Druck auf Lieberman ausüben.

Trumps Wunsch nicht erfüllt

Trump wünschte am Montag auf Twitter, dass die Regierungsbildung noch erfolgreich verlaufen werde. "Hoffe, (...) Bibi und ich können weiter die Allianz zwischen Israel und Amerika stärker als jemals zuvor machen", schrieb Trump. Bibi ist der Spitzname Netanyahus. Ein Oppositionspolitiker kritisierte die Aussage laut dem israelischen Fernsehen als Einmischung in die Innenpolitik des Landes.

Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner sowie US-Unterhändler Jason Greenblatt kamen inmitten der Politkrise in Israel an. Sie wollen nach Medienberichten bei Gesprächen am Donnerstag um Unterstützung für den lange erwarteten US-Friedensplan für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern werben.

Ende Juni soll als erster Teil des Plans eine Konferenz für wirtschaftliche Investitionen in den Palästinensergebieten in Bahrain stattfinden. Die Palästinenser lehnen diese Konferenz ab. Sie verlangen nach den Worten führender Vertreter eine politische Lösung des Nahost-Konflikts und ein Ende der israelischen Besatzung. Unklar war, ob bei einer erneuten Wahl in Israel die Präsentation des lange erwarteten Friedensplans wieder verschoben werden könnte.
 

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