Auch Tschechien forschte an Nervengift Nowitschok

Auch Tschechien forschte an Nervengift Nowitschok
Präsident Zeman gab zu, dass Experimente mit einem Kampfstoff gemacht wurden, der jenem aus dem Fall Skripal ähnelt.

In Tschechien ist ein Nervengift aus der hochgefährlichen Nowitschok-Klasse nach Angaben der Staatsführung zu Forschungszwecken synthetisiert worden. "Die Menge des hergestellten Gifts war angeblich klein, und es wurde nach den Versuchen vernichtet", sagte Präsident Milos Zeman am Donnerstagabend im Fernsehsender Barrandov.

Ein Nervengift aus der Nowitschok-Klasse war nach britischen Angaben bei dem Anschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter im englischen Salisbury Anfang März verwendet worden. Zeman zufolge dürfte es sich um den Stoff A-234 gehandelt haben, während in Tschechien an der Substanz A-230 geforscht worden sei.

Institut in Brno

Das Experiment habe im November stattgefunden, in einem militärischen Forschungsinstitut in Brno (Brünn), der zweitgrößten tschechischen Stadt. "Wir wissen wo, wir wissen wann, also wäre es Heuchelei, so zu tun, als ob nichts geschehen wäre", sagte der 73 Jahre alte Staatschef. Er berief sich dabei auf einen neuen Bericht des tschechischen Militärnachrichtendienstes. Nach Einschätzung von Fachleuten sind nur wenige Labors in der Welt in der Lage, mit derart gefährlichen Nervenkampfstoffen zu arbeiten.

Großbritannien macht Russland für den Anschlag auf Skripal verantwortlich. Das Außenministerium in Moskau wies dies zurück und unterstellte seinerseits Tschechien, Großbritannien, der Slowakei und Schweden, als mögliche Herkunftsländer des verwendeten Kampfstoffs infrage zu kommen. Die Regierung in Prag wies dies bisher vehement zurück. "Die Russen haben alle Grenzen überschritten", sagte beispielsweise Ministerpräsident Andrej Babis von der populistischen ANO-Partei.

Russlandfreundlich

Zeman, der im Jänner vom Volk für eine zweite, fünfjährige Amtszeit wiedergewählt wurde, gilt als russlandfreundlich - und liegt damit bisweilen mit der Regierung von Babis über Kreuz. Im November war er im Schwarzmeerkurort Sotschi mit Kremlchef Wladimir Putin zusammengekommen. Einen Monat zuvor hatte er die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland in einer Rede vor dem Europarat als "vollendete Tatsache" bezeichnet.

Die Nowitschok-Gruppe (russisch für Neuling) war in der früheren Sowjetunion entwickelt worden. Tschechien betreibt im südmährischen Vyskov (Wischau) ein NATO-Kompetenzzentrum zur Abwehr von ABC-Waffen, also atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen. Der frühere Warschauer-Pakt-Staat ist seit 1999 Mitglied des transatlantischen Bündnisses.

Die internationale Chemiewaffenkonvention verbietet unter anderem die Entwicklung und den Besitz von Chemiewaffen, schließt aber die Forschung zu Abwehrzwecken nicht aus, solange bestimmte Bedingungen und Meldepflichten erfüllt sind.

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