Argentiniens Vizepräsidentin Kirchner zu sechs Jahren Haft verurteilt
In einem Korruptionsverfahren ist die argentinische Vizepräsidentin Cristina Kirchner zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sprach die 69-Jährige am Dienstag der Veruntreuung öffentlicher Mittel schuldig. Zudem sperrten die Richter sie lebenslang für die Ausübung öffentlicher Ämter. Gegen das erstinstanzliche Urteil kann die Ex-Präsidentin (2007-2015) allerdings noch Berufung einlegen. Bis ein rechtskräftiges Urteil fällt, könnten daher noch Jahre vergehen.
Deshalb bleibt Kirchner zunächst auf freiem Fuß und könnte auch bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr wieder antreten. Kirchner und ihr inzwischen gestorbener Ehemann, Ex-Präsident Néstor Kirchner (2003-2007), sollen einem befreundeten Bauunternehmer ohne Ausschreibung öffentliche Aufträge beschafft haben. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft erhielt dessen Firma 80 Prozent aller öffentlichen Straßenbauaufträge in Kirchners Heimatregion Santa Cruz. Ein Teil der überhöhten Baukosten sei später an das Ehepaar zurückgeflossen. Als Anführerin einer kriminellen Vereinigung habe die heutige Vizepräsidentin den Staat um rund eine Milliarde US-Dollar gebracht. Die Vorwürfe beziehen sich auf die Amtszeiten der Kirchners an der Staatsspitze.
Kirchner wies die Vorwürfe zurück und warf der Justiz vor, aus politischen Motiven gegen sie zu ermitteln. "Als ich das erste Mal hier gesprochen habe, habe ich gesagt, dass das Gericht das Recht aus politischen Motiven beugt. Ich glaube, da war ich noch großzügig. In Wirklichkeit ist es ein echtes Erschießungskommando", sagte sie bei ihrem Schlusswort in dem Prozess.
Die linke argentinische Regierung bezeichnete die Ermittlungen gegen Kirchner als "Lawfare" - einen Krieg mit juristischen Mitteln. Präsident Alberto Fernández stellte sich mehrfach hinter seine Vize. "Wenn die Politik sich in den Gerichten breitmacht, flieht die Gerechtigkeit aus den Fenstern", schrieb er zuletzt auf Twitter. Am Montag allerdings forderte er selbst Ermittlungen gegen mehrere mit der Causa Kirchner befasste Richter und Staatsanwälte wegen einer gemeinsamen Reise mit Unternehmern nach Patagonien.
Kirchner steht für den linken Flügel der derzeitigen Regierungskoalition und gilt als eigentliche Strippenzieherin in Buenos Aires. Immer wieder drückt sie der Regierung ihren Willen auf. Ihren Anhängern aus oft einfachen Verhältnissen gilt Kirchner als Garantin für die üppigen Sozialprogramme. Über soziale Bewegungen, Gewerkschaften und Parteigruppen wie die ihr treu ergebene Jugendorganisation La Cámpora dominiert die charismatische Politikerin die Straße.
Kaum eine andere Politikerin in Argentinien polarisiert so stark wie Kirchner: So innig sie von ihren Anhängern geliebt wird, so leidenschaftlich wird sie von ihren Gegnern gehasst. Die politische Landschaft Argentiniens ist stark polarisiert, die sogenannte "grieta" (Riss) zwischen rechts und links zieht sich durch die ganze Gesellschaft.
Nachdem die Staatsanwaltschaft zwölf Jahre Haft gegen Kirchner gefordert hatte, kampierten Ende August Hunderte ihrer Anhänger tagelang vor ihrer Wohnung im eleganten Stadtteil Recoleta. Am 1. September entging sie einem Anschlagsversuch, als ein Mann aus kurzer Entfernung eine Waffe auf sie richtete, die allerdings Ladehemmungen hatte.
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