Papst griff in Wahlkampf ein
An sich ist das Ergebnis vom Sonntag eine Überraschung für sich: Dass eine Regierung und deren Vertreter, die für 140 Prozent Jahresinflation und 40 Prozent Armutsrate sowie einige Korruptionsfälle verantwortlich zeichnen, überhaupt eine Chance auf eine Wiederwahl haben, sagt viel darüber aus, welche Meinung die Argentinier von der Qualität der Alternativen haben. Die farb- und ideenlose Bullrich und ein bisweilen aggressiver, radikaler Milei verbreiten offenbar mehr Angst und Ablehnung als Aufbruchstimmung. Der Peronismus hat dagegen noch einmal alle Kräfte aufgeboten.
➤Mehr lesen: "Es waren eben Deutsche": Nazi-Skandal im argentinischen Wahlkampf
Und er fand sogar im argentinischen Papst Franziskus nur wenige Tage vor den Wahlen einen Mitstreiter. Dieser hatte sich in einem TV-Interview klar gegen den Papst-Kritiker Milei positioniert – ohne diesen beim Namen zu nennen. Ein solches Eingreifen in einen Wahlprozess von einem Kirchenoberhaupt in seinem Heimatland dürfte historisch einmalig sein und den Ruf von Franziskus, ein „linker Papst“ zu sein, festigen.
Milei hat nun jedenfalls vier Wochen lang Zeit, sein radikales Image zu überarbeiten und absurde Forderungen wie die Einstellung der Handelsbeziehungen zu einem „kommunistisch“ regierten Brasilien und zum wichtigsten Handelspartner China zu überdenken. Und auch seine Verharmlosung der Verbrechen der ultrarechten Militärdiktatur.
Nachdem der „Milei-Schock“ nach den Vorwahlen das peronistische Lager mobilisierte, ist es nun möglich, dass ein „Massa-Schock“ all jene Kräfte aufrüttelt, die unbedingt einen Regierungswechsel wollen. Immerhin haben 64 Prozent ihre Stimme nicht den Peronisten gegeben.
➤Mehr lesen: Leben in Argentinien: Der Alltag mit 108 Prozent Inflation
Milei sprach jedenfalls angesichts von drei Dutzend Kongress- und acht Senatssitzen, die erobert wurden, und der Tatsache, dass es gelungen sei, zum Herausforderer des „Kirchnerismus“ zu werden (benannt nach den ehemaligen linksgerichteten Präsidenten Nestor und Cristina Kirchner), von einem „historischen Erfolg“.
Am 19. November werden die Argentinier dann entscheiden, wie groß dieser tatsächlich sein wird. Stand heute spricht vieles dafür, dass Milei erst einmal nur eine starke Oppositionskraft wird, wenngleich sich seine „La Libertad Avanca“, die es erst seit 2021 gibt, als neue politische Kraft in Argentinien etabliert hat. Aber Argentinien ist ein Land der Überraschungen.
Kommentare