Die Idee hinter der Dollarisierung ist, die weiterhin galoppierende Inflation – manche Prognosen halten in den kommenden Monaten selbst 200 Prozent für möglich – in den Griff zu bekommen, indem künftig nicht mehr einfach Geld gedruckt werden kann.
Argentinier haben kein Vertrauen in den Peso
Eine Idee, die auf fruchtbaren Boden fiel. „Die Argentinier vertrauen ihrer Währung nicht“, sagt Ökonomin Francesca Guadagno vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Darum sei es leicht, mit dem Versprechen der Dollarisierung zum Wahlsieger zu werden.
Dass diese praktisch umsetzbar ist, wird jedoch von vielen Expertinnen und Experten, darunter Guadagno, angezweifelt. Um den Peso zu ersetzen, braucht es entsprechende Dollar-Reserven, und die hat der Staat nicht. Zwar halten die Privathaushalte Schätzungen zufolge 200 Milliarden US-Dollar in bar und damit zehn Prozent der weltweit im Umlauf befindlichen Dollar-Scheine.
Umfangreicher Jobabbau zu erwarten
Der Staat hat jedoch 44 Milliarden Dollar Schulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und folglich kaum Chancen auf einen weiteren Kredit. Milei müsste also, neben anderen Maßnahmen, massiv Jobs im öffentlichen Sektor abbauen, um – laut seinem Plan künftig in Dollar auszuzahlende – Gehälter einzusparen.
Privatisierungen im großen Stil stehen ohnehin auf dem Zettel des radikalen Staatsskeptikers, der am Sonntag in Buenos Aires offiziell zum Staatschef gekürt wird. Auch zahlreiche Ministerien will er auflösen.
Doch selbst wenn Milei einen Weg finden sollte, das nötige Bargeld aufzutreiben, ist mehr als fraglich, ob die Dollarisierung alleine die Probleme löst. Argentiniens Wirtschaft hat nach Jahrzehnten des peronistischen Populismus ein Problem mit einem aufgeblähten öffentlichen Sektor. Doch sie hat auch ein strukturelles Problem: Sie ist schlicht nicht diversifiziert genug, sagt Guadagno.
Der Agrarsektor macht 20 Prozent der Wirtschaftsleistung und beinahe die Hälfte der Exporte aus, wird jedoch aufgrund der Folgen des Klimawandels (siehe Interview unten) immer unzuverlässiger. So litt das Land bis ins Frühjahr unter einer dreijährigen, katastrophalen Dürre.
Die Dollarisierung birgt unwägbare Risiken
Zudem brächte der Umstieg auf den Dollar einige Risiken mit sich. In erster Linie geldpolitische: Ohne eigene Zentralbank verlöre Milei die Möglichkeit, Zinssätze festzulegen und die Währung abzuwerten und gäbe somit einen zentralen, wirtschaftspolitischen Hebel aus der Hand, sagt Guadagno.
Kurzfristig würden sich außerdem die sozialen Probleme verschärfen. Neben dem angesprochenen Jobabbau gäbe es wohl auch einen ausgesprochen ungünstigen Umrechnungskurs, der die Armut weiter ansteigen ließe.
Ecuador taugt nicht als Vorbild
Argentinien wäre nicht das erste südamerikanische Land, das auf den Dollar setzt. Ecuador setzte diesen Schritt bereits im Jahr 2000. Das habe im Andenstaat zwar die auch dort mit-auslösende Inflation eingebremst, nicht aber zu einer tiefgreifenden Neuausrichtung der Wirtschaftsstruktur geführt, sagt Guadagno. Genau die bräuchte es aber da wie dort.
Ohnehin sei es aber schwierig, die beiden Länder zu vergleichen, sagt die Ökonomin, sei das G20-Mitglied Argentinien doch eine ungleich größere Volkswirtschaft.
Ob Milei das Projekt Dollarisierung wirklich mit Nachdruck verfolgen wird, muss sich ohnehin erst zeigen. In den Ansprachen seit seinem Wahlsieg war zumindest keine Rede mehr davon. Zum Teil wohl auch, weil sich im Parlament keine Mehrheit für das Projekt abzeichnet.
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