26 – mit dieser Zahl rühmt sich Ungarn, seit Jahresbeginn europaweit die wenigsten Asylanträge zu verzeichnen. Zum Vergleich: Bis 10. Oktober wurden in ganz Europa 801.459 Asylanträge gestellt, in Deutschland 250.000, in Österreich 43.700. Das liegt auch daran, dass es in Ungarn selbst gar nicht möglich ist, einen Asylantrag zu stellen, sondern nur in den ungarischen Botschaften in Belgrad und Kiew. Dass Ungarn damit gegen EU-Recht verstößt, nimmt der national-konservative Ministerpräsident Viktor Orbán in Kauf.
Orbáns migrationsfeindlicher Kurs findet innerhalb Teilen der Bevölkerung längst Widerhall. Doch nun hat sich die ungarische Regierung damit ins eigene Fleisch geschnitten: Denn Ungarn gehen die Arbeitskräfte aus. Ein Gesetz, mit dem die Regierung Arbeitskräfte aus Asien und Südamerika ins Land holen wollte, dürfte am Protest der Bevölkerung gescheitert sein.
Protest gegen chinesische Batteriefabrik
Ursprünglich wollte Orbán mit 1. November einen Gastarbeiterstatus einführen, mit dem Arbeitskräfte bis zu drei Jahre auf unbürokratische Weise im Land hätten bleiben dürfen. Die 17 Herkunftsländer waren klar definiert, darunter Kasachstan, Indonesien, Venezuela, Kolumbien, Kirgistan oder die Philippinen. Das Gesetz wurde jedoch zurückgezogen.
Denn in Teilen der Bevölkerung wächst die Abneigung gegenüber den Gastarbeitern. Selbst die liberale Stadtregierung Budapests ist dagegen, Arbeitskräfte aus Asien als Busfahrer einzustellen – mangels Sprachkenntnissen und "drohenden Gefahren in der Betriebssicherheit".
Häufig kommt es auch zu Protesten gegen die Ansiedelung ausländischer Unternehmen – die Regierung forciert vor allem jene von chinesischen Batteriefabriken im Osten des Landes. In Debrecen baut der chinesische Konzern CATL eine der größten E-Auto-Batteriefabriken Europas. Die Bevölkerung fürchtet nicht nur Umweltbelastungen, sondern auch die ausländischen Arbeitskräfte, die in der Fabrik tätig sein sollen. Bis zu 9.000 Menschen sollen dort arbeiten. Woher die kommen sollen, ist fraglich – in der Region herrscht ein extremer Arbeitskräftemangel.
Befeuert wird die Furcht von der rechtsextremen Jobbik-Partei, die von "Migrantenghettos" und "krimineller Bedrohung" warnt.
Das liberale Online-Portal hvg.hu beruft sich auf das ungarische Zentralamt für Statistik: Aktuell liegt die Zahl der potenziell beschäftigungsfähigen Personen bei rund 280.000. Im Jahr 2015 waren es noch eine halbe Million, 2010 mehr als 700.000. Lange waren es die gebildeten Jungen, die dem Land den Rücken gekehrt haben. Längst betrifft der Exodus aber alle Schichten. Schuld daran ist die wirtschaftliche Lage: Im vergangenen Jahr stieg die Inflation teilweise auf 25 Prozent, im September 2023 lag sie bei 12,2. Die Fidesz-Regierung versucht seit Jahren, die Geburtenrate mit finanziellen Anreizen in die Höhe zu treiben. Der akute Mangel lässt sich dadurch aber nicht lösen.
Die Regierung will nun das Gesetz verbessern, "zum Schutz der ungarischen Arbeitskräfte und der ungarischen Bevölkerung", sprich strengere Regeln für Gastarbeiter erarbeiten. Diese sollen laut Regierung nur dann beschäftigt werden dürfen, wenn die freien Stellen nicht mit ungarischen Arbeitskräfte besetzt werden können.
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