Als Erdogan keinen Platz für Von der Leyen hatte

Präsident empfängt zwei Präsidenten und hat beim medienöffentlichen Termin nur zwei Stühle parat. Ein Zufall? Türkei weist die Verantwortung für den Vorfall zurück.

Zu hören war das Klicken der Kameras. Und ein leises "Äääähm?". Kam es von der Präsidentin? Die fragende Körperhaltung würde diesen Schluss zulassen.

Doch die beiden Männer ließen die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im sprichwörtlichen Regen stehen. Recep Tayyip Erdogan und Charles Michel hatten es sich schon auf den edlen, für den Fototermin bereitgestellten Stühlen niedergelassen.

Symbolik

Der Horror für jeden Pressesprecher. Die mächtige Präsidentin, von Staatspräsident und Ratspräsident einfach stehen gelassen. Ursula von der Leyen durfte schließlich auf der daneben stehenden Sitzbank Platz nehmen. Ihr gegenüber saß der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu, der dem diplomatischen Protokoll zufolge einen niedrigeren Status als der Präsident innehat.

EU-Kommissionspräsidentin und EU-Ratspräsident werden in der Regel als gleichwertig behandelt. Gängige Interpretation: ein diplomatischer Affront - der sich auf Twitter nach wenigen Minuten ausbreitete. "'Äähm' ist der neue Begriff für 'So sollten die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei nicht sein', twitterte Sergey Lagodinsky, ein deutscher EU-Abgeordneter und Vorsitzender der Türkei-Delegation des Europaparlaments. Den Hashtag #GiveHerASeat hinten dran.

Zufall oder nicht?

Die Protokolle bei hohen Besuchen sind streng durchdacht und werden meist von mehreren Beamten überwacht. Dass es ein Zufall war, dass für Von der Leyen kein Platz war, glauben die wenigsten, die sich mit Staatsbesuchen auskennen. Auch die belgische EU-Abgeordnete Sophie in't Veld kritisierte die Aktion. Für sie war das "kein Zufall", sondern "Absicht", wie sie auf Twitter schreibt. Außerdem kritisiert sie Ratspräsident Charles Michel, weil er seiner Kollegin den Sitz weder überlassen, noch zu dem Vorfall etwas zu sagen hatte.

Die türkische Seite sah die Verantwortung für den Vorfall bei der EU. "Es wurden keine anderen Vorkehrungen getroffen als die, die von einer den Besuch vorbereitenden EU-Delegation gefordert wurden", sagte ein Regierungsvertreter. Laut Kommission war dabei die EU-Delegation in Ankara beteiligt, die vom Deutschen Nikolaus Meyer-Landrut geleitet wird.

Wiederannäherung

Hintergrund des Treffens zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und den beiden Präsidenten der Europäischen Union am Dienstag war eine grundsätzliche Wiederannäherung. Die EU hofft zudem auf eine Fortführung des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals und will zudem die veraltete Zollunion mit der Türkei ausweiten.

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