Kenias Kickbox-Omas – Selbstverteidigung gegen Vergewaltigung

FILE PHOTO: Kenyan activists push for stricter laws against gender-based violence (GBV) in Nairobi
In Kenias "Granny Fight Club" lernen Seniorinnen sich selbst zu verteidigen. Mit Schlägen und Gebrüll wehren sie sich gegen die zunehmende sexuelle Gewalt wegen eines uralten Aberglaubens.

Von Franziska Trautmann

„Es geht nicht um Kraft, sondern um Präzision“, erklärt Elizabeth Mutimba. Sie ist Trainerin im „Granny Fight Club” in Nairobi, wo Seniorinnen lernen, sich selbst zu verteidigen. Vor allem ältere Frauen werden besonders in den Slums Opfer von Raubüberfällen, Vergewaltigungen und Einbrüchen. Mit präzisen Schlägen und lautem Gebrüll lernen sich Nairobis Omas gegen ihre Peiniger zu wehren.

„Großmutter, verteidige dich selbst“

In einer kleinen unscheinbaren Blechhütte treffen sich fast wöchentlich 20 Frauen im Alter von 50 bis 90 Jahren, um zu schlagen, zu treten und zu schreien. Kurz: Sie lernen Selbstverteidigung. Die Gruppe heißt „Shosho Jikinge“ – übersetzt „Großmutter, verteidige dich selbst“. Bevor sie mit ihrem Training beginnen, wärmen sie sich auf, danach geht’s ran an ans Eingemachte: Nacheinander versetzen sie einem Sandsack präzise Schläge, die anderen Gruppenmitglieder feuern sie dabei an. 

"Wir zielen auf besonders schmerzempfindliche Punkte: die Nase, Augen, Kehle, Schlüsselbeine, den Solarplexus oder die Genitalien des Angreifers", sagt Mutimba dem Spiegel. So haben die Frauen eine Chance zu fliehen. Nicht nur körperliche, sondern auch verbale Verteidigung ist entscheidend. Mit lauten "Nein"-Rufen sollen sie so in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machen für Hilfe.

Die Großmütter gelten mittlerweile auf den Straßen der Slums wie Korogocho als Vorbilder für junge Frauen. Korogocho ist einer der größten Slums in der kenianischen Hauptstadt und weist eine hohe Verbrechensrate auf. Frauen sind dort weder in der Öffentlichkeit noch im eigenen Heim sicher. „Wir haben diese Gruppe 2007 ins Leben gerufen, als wir feststellten, dass ältere Frauen zu leichten Opfern von Vergewaltigung und Missbrauch wurden“, sagt Beatrice Nyariara, ein Gründungsmitglied, dem Guardian. Sie wurde sechs Monate lang von freiwilligen Kampfsportlern ausgebildet und leitet seit 2014 den Unterricht.

Männer handeln nach Aberglaube

In Kenia werden häufig Frauen jenseits der 60 vergewaltigt. Grund dafür: ein uralt eingesessener Aberglaube. Einige Männer glauben, dass Sex mit einer älteren Frau HIV und Aids heilen kann, während andere glauben, dass er sie von ihren Sünden nach einem Verbrechen reinigen kann. Ein Aberglaube, der viele Frauen auch das Leben kostet. Laut Nyariara werden Frauen angegriffen, vergewaltigt und dann in den Fluss geworfen. In solchen Situationen nach Hilfe zu schreien, bringt nicht viel, denn geschlechtsspezifische Gewalt ist in der Gegend so weit verbreitet, dass es als normal angesehen wird. Normalität, die keine sein sollte.

Neben dem Training betreiben die Frauen auch eine Spardose namens Chama. Darin fließen die Kursgebühren in Höhe von 20 kenianische Schilling (13 Cent) pro Woche hinein, um einerseits ihr Training zu finanzieren und andererseits anderen Frauen, die sich eine Teilnahme gerade nicht leisten können, zu unterstützen. 

Das Angebot soll für jede da sein, denn laut dem Bericht „Kenya Demographic and Health Survey 2022“ gaben 13 Prozent aller Frauen an, irgendwann in ihrem Leben sexuelle Gewalt erlebt zu haben. Außerdem wird in dem Bericht festgestellt, dass 34 Prozent der Frauen in Kenia seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche Gewalt erfahren haben, davon 16 Prozent im letzten Jahr. Initiativen wie der „Granny Fight Club“ soll Frauen dazu ermutigen, gegen ihre Peiniger zu handeln - denn in Kenia bleibt Vergewaltigung oft ohne Bestrafung. 

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