Warum der Brexit für die Streikwelle in Großbritannien verantwortlich ist

Warum der Brexit für die Streikwelle in Großbritannien verantwortlich ist
Simon Dubbins, Führungsfigur der britischen Gewerkschaften über die Streikwelle, die Krise und ihre Ursachen in der Londoner Politik

Züge stehen still, Krankenhäuser laufen im Notbetrieb: Seit Wochen legt eine riesige Streikwelle große Teile Großbritanniens lahm. Richtet sich deshalb der Unmut der Menschen gegen die Gewerkschaften, die diese Streiks organisieren. „Das würden sich die regierenden Konservativen wohl wünschen“, gibt sich Simon Dubbins, internationaler Sekretär, also quasi Außenminister der größten britischen Gewerkschaft gelassen: „Aber die Bürger verstehen genau, dass diese Streiks kein politisches Spiel sind, sondern einfach die einzige Möglichkeit vieler Menschen sich gegen ihre verzweifelte Lage zu wehren.“

Warum der Brexit für die Streikwelle in Großbritannien verantwortlich ist

Simon Dubbins, Spitzengewerkschafter in Wien

 

Dass die Regierung versuche, die Gewerkschaften und ihre Führung als „egoistische Spesenritter darzustellen, die sich nur um ihren politischen Vorteil kümmern. Das klappt nicht. Die Menschen durchschauen die Strategie.“

Wirtschaftskrise und zugleich rasant steigende Lebenskosten: Der Gewerkschafter, auf Einladung der Kollegen von der GPA in Wien erzählt vom „größten Reallohnverlust seit der Industrialisierung Großbritanniens.“ Eine der Hauptursachen dafür sei der Brexit: „Wir sehen täglich den Schaden, den der angerichtet hat, in der Autoindustrie, in der Stahlindustrie, bei den Investitionen, die sind rasant geschrumpft.“

Regeln kam aus Europa

Als Motor des Brexit sieht der Linke naturgemäß die heute noch regierenden Konservativen. In der Partei habe es immer schon große Gruppen gegeben, „die Europa gehasst haben.“ Doch dahinter sei weit mehr gestanden als antieuropäische Emotionen: „Gerade in der brutal kapitalistischen britischen Arbeitswelt kamen viele Regelungen, die die Position der Arbeitnehmer stärkten, aus Europa: Vom Elternurlaub, über das Recht auf Teilzeitarbeit bis zur sozialen Absicherung von Leiharbeitern.“

"Dann können wir die Sch...regeln vergessen"

Und genau diesen Schutz für Arbeitnehmer hätten viele Konservative im Visier gehabt, als sie den Brexit anpeilten: „Die haben sich gedacht, wir steigen aus der EU aus, dann können wir die Sch...regeln vergessen.“

Dass die Konservativen auch in der Krise das Problem des Brexit totschweigen, überrascht den Gewerkschafter nicht, enttäuscht aber ist er von der Haltung der Labour-Sozialdemokraten: „Die haben auch Angst über das Thema zu reden, weil sich denken, dass sie dadurch viele Stammwähler verlieren, die ja für den Brexit gestimmt haben.“ Selbst über den EU-Binnenmarkt, der für die britische Wirtschaft auf Dauer unverzichtbar sei, wolle Labour-Chef Keir Starmer nicht reden.

„Ehrlich drüber reden“

Als Gewerkschaft habe man sich auch damals, vor dem Referendum 2016, gegen den EU-Austritt gestellt: „Wir wussten ja, was das bedeuten würde.“ Jetzt sei es überfällig eine neue Debatte über das Thema anzustoßen: „Wenn wir nicht endlich anfangen, ehrlich über die Schwierigkeiten zu reden, wie können wir dann eine Lösung für diese Schwierigkeiten finden.“

Ohne Zusammenhalt geht es nicht

Gerade Labour brauche eine Botschaft, die klar mache, was für eine wichtige Rolle Europa spiele, auch für Großbritannien und seine Wirtschaft: “Wir müssen den Menschen erklären, dass Europa ohne einen starken Zusammenhalt in Zukunft nicht funktioniert.“

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