„Antoine de Saint-Exupéry war ein sehr naiver Mensch“

„Antoine de Saint-Exupéry war ein sehr naiver Mensch“
Olivier d’Agay, der Generaldelegiert der Saint-Exupéry Jugendstiftung, über die fantastische Sichtweise seines Großonkels

Olivier d’Agay ist der Großneffe des berühmten französischen Autoren Antoine de Saint-Exupéry. Im KURIER-Interview gibt der Nachfahre persönliche Einblicke in das Leben seines Onkels.

KURIER: Herr d’Agay, wie konnte Ihr Großonkel, die kindliche Fantasie im Buch so authentisch einfangen?

Olivier d’Agay: Mein Onkel war wirklich so: Er blickte immer zurück zur Kindheit, zu den Grundlagen. Das Buch ist ja auch seinem Freund Leon Werth gewidmet; aber nicht dem Leon als Erwachsener, sondern dem Kind Leon.

Antoine de Saint-Exupéry erlebte zwei Weltkriege mit. War das Land der Kindheit für ihn ein Rückzugsort vor der brutalen Realität?

Ich denke, ja. Antoine hat aber auch ein sehr gefährliches Leben gewählt: Er war Pionier der Luftfahrt . Für ihn war diese Welt ein Weg, um reine Menschen zu treffen, Menschen wie ihn, die sich nicht verstellen. Menschen, die wirklich transparent sind. Und das war es, wonach er suchte. Im Grunde war er ein sehr naiver Mensch. Er hat an die Freundschaft geglaubt.

Ihr Großonkel ist gestorben, noch bevor die französische Originalfassung herauskam. Was würde er über den heutigen Erfolg sagen?

Es ist ein Paradoxon. Denn er war besessen von der Botschaft, die er der Menschheit überbringen wollte, um sie glücklicher, spiritueller und geeinter zu machen. Er dachte, dass er das mit einem anderen Buch, Citadelle, erreichen würde. Aber es sollte Der kleine Prinz sein.

Wann haben Sie das Buch zum ersten Mal gelesen?

(lacht.) Ich war ungefähr zehn. Meine Urgroßmutter, Saint Exupérys Mutter, hat gesagt, es ist ein tolles Buch und ich soll es lesen. Aber es hat mir gar nicht gefallen. Ich interessierte mich damals für Fußball, Freunde, fürs Fahrradfahren. Ich habe ihr gesagt: „Das ist ein Buch für kleine Kinder. Warum sollte ich es lesen, ich bin zehn?“

Aber es blieb nicht dabei?

Nein. Als ich 16 war, habe ich seine Werke wieder entdeckt. Ich liebte seine Bücher: Terre des Hommes. Wind, Sand und Sterne. Nachtflug. Er war ein fantastischer Autor. Dann fiel mir ein, dass er mein Onkel war – und ich habe den kleinen Prinzen wieder gelesen. Diesmal habe ich verstanden, dass es mehr ist als eine naive Geschichte für Kinder.

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