Antoine de Saint-Exupérys Novelle erzählt – kurz zusammengefasst – die Geschichte eines Piloten, der nach einer Bruchlandung in der Wüste einen jungen Außerirdischen trifft. Dieser Junge erzählt – während der Pilot sein Flugzeug zusammenflickt – von interstellaren Reisen und dem Geheimnis des Lebens. Das Buch wurde in 610 verschiedene Sprachen übersetzt und 250 Millionen Mal verkauft. Es ist das bestverkaufte Kinderbuch aller Zeiten.
Im Zentrum der Kultur
Doch wenn die Geschichte im ersten Moment zu groß erschien: Sie blieb hängen. Zwei Stunden später hatten sie das Konzept für die gesamte Show entwickelt. Drei Jahre feilten sie mit dem britischen Komponisten Terry Truck dann an Details. In der fertigen Produktion entführen grazile Tänzer und eindrucksvolle Akrobatinnen in die fabelhafte Welt von Antoine de Saint-Exupéry.
Mitte März wird das Musical im Londoner Coliseum aufgeführt. „Ein besonderer Moment“, räumen die drei beim Pressegespräch im Französischen Institut ein. Zum einen weil in England selten Produktionen in französischer Sprache aufgeführt werden. (Es gibt Untertitel, Anm.) Aber auch weil London doch „eines der Kultur-Zentren der Welt“ ist.
Die 20. Station auf ihrer Reise kommt zu einem besonderen Zeitpunkt. Denn dieses Jahr sieht sowohl den 125. Geburtstag des Autors als auch den 80. Geburtstag der französischen Erstveröffentlichung. Das erste Mal erschien „The Little Prince“ zwar 1943 am Buchmarkt – aber in New York und in englischer Übersetzung. Erst zwei Jahre später folgte das französische Original.
Ein Erlebnisbericht
Wieso aber gelingt es einem knapp 100-seitigen Buch, den Zauber der Kindheit für ein junges aber auch für ein älteres Publikum so erfolgreich aufzuarbeiten? Wieso hören wir so gut hin, wenn der Fuchs oder die Rose ihre Standpunkte erläutern? Wieso kommen Erwachsenen beim Vorlesen mitunter die Tränen? Vielleicht weil wir wissen, dass die Geschichte eigentlich kein fantastisches Märchen, sondern ein Erlebnisbericht ist.
„Es ist eine echte Geschichte“, bestätigt Olivier D’Agay, Großneffe des Autors und Chef der Antoine de Saint-Exupéry-Jugendstiftung, als der KURIER ihn per Zoom erreicht.
Antoine de Saint-Exupéry, sagt D’Agay, überflog Nordafrika im Jahr 1935. Am 30. Dezember stürzte er in der Wüste ab. Er und sein Mechaniker mussten mit wenig Wasser durch die Wüste wandern und waren dem Tode nahe – bis sie von Beduinen gefunden wurden. „Es war ein Wunder“, sagt Olivier D’Agay und schmunzelt. „ Aber sie gab es bei Saint-Exupéry immer.“
In der Zeit vor der Rettung hatte der Autor eine Illusion, eine Fata Morgana: der kleine Prinz. Für Saint-Exupéry war diese Gestalt er selbst, als Kind. „Und dieses Kind erinnerte ihn an das, was er vergessen hatte, weil er erwachsen geworden war.“
Das Land der Kindheit
Die Kindheit war für Saint-Exupéry ein besonderer Ort: „Wir sind ebenso sehr aus unserer Kindheit, wie wir aus einem Land sind“, sagte er einmal. Er war – für kurze Zeit – nahezu paradiesisch aufgewachsen, wurde 1900 in eine aristokratische Familie geboren, wuchs behütet und von den widrigen Umständen beschützt in einem Schloss bei Lyon auf – bis ihn der frühe Tod seines Vaters und seines Bruders mit 17 Jahren in die Rolle des Beschützers hob.
Die Begegnung mit dem kleinen Prinzen ging dem Autor auch nach seiner Rettung nicht aus dem Sinn. 1942 – jene sechs Jahre später, die der Erzähler im 27. Kapitel des Buches anspricht und nur zwei Jahre vor seinem Tod – beginnt er sie aufzuschreiben.
„Auf unserer Tour“, erzählt Regisseurin Tournié beim Pressegespräch in London noch, „war es spannend zu beobachten: Auch in Orten wie Mumbai, in denen die Geschichte nicht so berühmt ist, war das Publikum an den gleichen Stellen gerührt, wie in Ländern, in denen man das Buch gut kennt.“ Weil die Botschaft so einfach und auch so wahr ist. Der zentrale Satz dabei, sagt Anne Tournié, ist natürlich: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
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