Porsche: Auf den Spuren der Nummer 1
Am 27. Mai 1948 notiert Karl Rabe in sein Tagebuch: „Probefahrt über Spittal an der Drau, Obervellach, Winklern nach Heiligenblut. Wir sind dort um 10.30 Uhr und sehen eine Fronleichnams-Prozession mit interessanten Trachten. Wir essen im Hotel Sonnenhof. Wir geben eine Grußkarte an Prof. P. auf.“
Karl Rabe ist ein junger Ingenieur, der gemeinsam mit Ferry Porsche im Konstruktions-Büro in Gmünd in Kärnten unter anderem an einem Sportwagen auf Basis des VW Käfer arbeitet (andere Projekte reichen vom Cisitalia Rennwagen bis zu Motor-Seilwinden für Bergbauern).
Die Grußkarte geht an den Erfinder des Käfer, Prof. Ferdinand Porsche, der die Aktivitäten seines Sohnes Ferry wohlwollend verfolgt.
Rabe und Ferry Porsche sind an diesem Fronleichnamstag in der Früh in Gmünd mit dem Ziel gestartet, den Prototypen des geplanten ersten Sportwagenmodells, das den Namen Porsche tragen soll, einem letzten Härtetest vor der Typisierung zu unterziehen. Nach der durch den Fronleichnamsumzug länger als geplant dauernden Rast in Heiligenblut führt die Strecke zurück nach Winklern, von dort über den Iselsberg und über Greifenburg hinauf zum Weißensee.
Rabe notiert: „Wir fahren dann nach Gmünd zurück, wo wir um 21.00 Uhr eintreffen, die Gesamtfahrstrecke betrug 256 km.“
Exakt auf diese Strecke der letzten Abnahmefahrt kehrte die sonst im Porsche-Museum in Stuttgart gehütete „Nummer 1“ (mehr zu deren Geschichte siehe unten) in der Vorwoche aus Anlass des Jubiläums erstmals wieder zurück. Eskortiert von Nachfahren aus verschiedenen Epochen und gefahren von einem Porsche-Flüsterer des Werksmuseums, zeigte sich der rollende Gründungsmythos der heute erfolgreichsten Sportwagenmarke der Welt erstmals wieder in jener Umgebung, in der er vor 70 Jahre entstanden ist.
Die Besonderheit des Anlasses zeigt eine Anekdote von Porsche-Österreich-Chef Helmut Eggert. Als frischgebackener Mitarbeiter der Salzburger Porsche-Holding wagte er es beim Erstkontakt mit der Nummer 1, diese kurz zu berühren. Eggert: „Das hat mir den ersten Rüffel meiner Karriere eingetragen.“ Schließlich sei die Nummer 1 einzigartig und jede Berührung könne dem Lack schaden, beschieden ihm die gestrengen Wächter der Markenhistorie.
Jetzt aber rollt der erste Porsche – der in seiner Form mit Mittelmotor ein Einzelstück bleiben sollte und die Vorstufe zu den Serienmodellen des Typs 356 bildete – wieder durch das Stadttor von Gmünd und nimmt die Strecke von damals in Angriff. Immer mit einem besorgten Blick der Mannschaft zum Himmel, denn bei allem Verständnis für historische Momente – einem Regenguss will man die rollende Preziose auf keinen Fall aussetzen.
Spartanische Einfachheit
Aber Petrus hat ein Einsehen und sorgt für Postkartenwetter auf der Fahrt Richtung Heiligenblut. Geerdet von einigen Etappen am Steuer verschiedener 356-Modelle, die das rollende Werksmuseum zu dieser speziellen Jubiläumsrunde mitgebracht hat, klettert man dann andächtig auf den Beifahrersitz der Nummer 1 und lässt auf den folgenden Kilometern die spartanische Einfachheit dieser Konstruktion auf sich wirken. Ein gebrauchter Käfer-Motor, den man dank neu konstruierter Zylinderköpfe auf 35 PS Leistung gebracht hatte, beschleunigte den nur 585 kg wiegenden Roadster in 23 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 135 km/h.
Aber so frei im Wind sitzend, umgeben nur von einer dünnen Aluminiumhaut, spürt sich bereits Tempo 80 wie Fliegen an.
Dadurch erst werden Berichte wie jener von Ferry Porsche in seinen Memoiren nachvollziehbar: „Im Katschbergpaß hatten wir eine ideale Teststrecke, auf der wir die Wagen auf Herz und Nieren prüfen konnten. Der 356 jagte die Berge hinauf wie eine Gemse.“
Nach der glücklichen Rückkehr von der historischen Runde (die nur von ein paar Regentropfen am Weißensee kurz gestört wurde), wird die Nummer 1 wieder verladen. Und am nächsten Freitag beim großen Jubiläums-Festakt im Stuttgarter Porsche-Museum wird sie auf den Tag genau 70 Jahre nach der Erteilung der allgemeine Betriebserlaubnis durch die Kärntner Landesregierung wieder im Mittelpunkt stehen.
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