Wien autofrei? Wie der Platz in den Städten gerade neu verteilt wird

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Weniger Platz für Autos, mehr für die Menschen. Das klingt gut, aber ist es das auch? Wie die Wiener Mobilitätsstadträtin und eine Verkehrsforscherin die zukünftige Ausrichtung sehen.

Welchen Platz Autos in den Städten zukünftig bekommen sollen, wird heiß diskutiert. „Von mehr Platz für Menschen profitieren letztendlich alle. Leider wird es schnell emotional, wenn jene, die auf das Auto angewiesen sind, das Gefühl bekommen, dass ihnen diese Option genommen wird“, sagt Verkehrsforscherin Barbara Laa von der Technischen Universität Wien (TU Wien). Das Dilemma kennt auch Mobilitätsstadträtin Ulli Sima: „Uns geht es immer darum, möglichst viele Interessen unter einen Hut zu bringen, das Miteinander im Verkehr ist zentral.“

Keine einfache Aufgabe. Denn Autos haben sich in den vergangenen Jahren viel Platz erobert. Der Anteil von Fahrbahnen und Parkplätzen an Verkehrsflächen in Wien beträgt etwa 67 Prozent, Radwege machen aktuell nur rund ein Prozent aus, erklärt Laa. „Die Privat-Pkw-Dichte in unserer Stadt sinkt aber“, sagt Sima: „In Wien gäbe es bereits mehr Jahreskarten-, als Pkw-Besitzer.“

„Geschäftsleute  überschätzen oft, wie viele  mit dem Pkw zum Einkaufen kommen.“

von Barbara Laa

Verkehrsforscherin TU Wien

Veränderungen sind daher nötig. „Wir verteilen den Platz neu“, fasst es Ulli Sima zusammen. Konkret läuft etwa die Radweg-Offensive auf Hochtouren. Der Öffi-Ausbau auch: Wien investierte dreimal so viel in Öffis als in den Bau und Erhalt von Straßen. Bedeutet das: Autos raus? Sima: „Wir wollen den Pkw-Verkehr weiter reduzieren. Eine gänzlich autofreie Stadt ist in näherer Zukunft aber nicht unser Anliegen.“ Fest steht, dass sich Wien inmitten eines großen Transformationsprozesses befindet.

In Paris ist man bereits einen Schritt weiter: „Paris ist beeindruckend in der Geschwindigkeit, in der die Veränderung umgesetzt wird, und dem Mut, den die Bürgermeisterin dabei hat“, sagt Laa. Aber auch andere Städte verändern: „Die Superblocks in Barcelona sind Vorbild für unser erstes Supergrätzl in Favoriten, in Italien gibt es bereits viele verkehrsberuhigte Innenstädte, wie wir sie in der Inneren Stadt auch planen“, erklärt Sima.

„Eine gänzlich autofreie Stadt ist in näherer Zukunft  nicht unser Anliegen.“ 

von Ulli Sima

Mobilitätsstadträtin Wien

Autos raus?

In Wien ist die innere Mariahilfer Straße bereits seit 2015 zu einem großen Teil autofrei. Laa: „Heute gilt sie als großer Erfolg, vor der Umsetzung gab es aber hitzige Diskussionen und viel Kritik an den Plänen.“ Die Kritik gibt es bis heute, aber auch Sima sieht das Projekt positiv: „Gewerbetreibende profitieren von begrünten und gekühlten Flaniermeilen. Solche Zonen weisen eine gesteigerte Wertschöpfung auf“, ist sie sicher.

Aus der Nisslgasse (1140 Wien) hört man anderes: 2023 wurde die Gasse verkehrsberuhigt und zur begrünten Begegnungszone umgestaltet. Seither fehle es an Ladezonen, der Umsatz breche ein, klagen Geschäftsleute. „Es gibt viel positives Feedback seitens der Anrainer“, sagt dazu die Stadträtin. Für die Gewerbetreibenden wurde nachgebessert und eine zusätzliche Ladezone eingerichtet. Sima: „Wenn es Bedarf gibt, wird gegebenenfalls nachjustiert. Wir setzen in der Stadt auf Dialog mit allen Beteiligten und dies hat sich bislang immer bewährt.“

Vor einer Umgestaltung, so Laa, sollte man immer erheben, welche Bedürfnisse es gibt. „Bezüglich der Umsätze zeigt sich jedoch in den meisten Fällen, dass sich eine Verkehrsberuhigung positiv auswirkt. Untersuchungen zeigen, dass Geschäftsleute oft überschätzen wie viele Personen mit dem Pkw zum Einkaufen kommen.“

Stadt-Strategie
Wien hat in den letzten 4,5 Jahren 100 Mio. Euro zur Begrünung und Verkehrsberuhigung in den Bezirken investiert. Raus aus dem Asphalt: Die Wiener Begrünungsoffensive läuft seit 2021. 320 Projekte sind oder werden umgesetzt. Das betrifft rund 400.000 m², inklusive Begrünung von mehr als 74.000 m²  im Straßenraum und auf Plätzen.

15.700 neue Radwege
2025 sind weitere 24 km neue Radinfrastruktur geplant. Das Projekt „verkehrsberuhigte Innere“ Stadt soll täglich 15.700 Pkw-Einfahrten den 1. Bezirk bringen.

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